■ Vorschlag
: Kunst als rettende Kindheit im Verborgenen Museum

Die unterhaltsame Sommerschau im Verborgenen Museum heißt „bleuling“. Das Kunstwort führt in den spielerischen Alltag der Kindheit zurück. Einem populären Urteil zufolge sollen ja auch KünstlerInnen nie so ganz erwachsen werden. „Artists are grown-up children“ wiederholt zumindest Vater Mohr im ausgestellten Video. Einem Maulwurf gleich, mit entblößtem Oberkörper, lehnt sich der Englischlehrer im Garten aus einem großen, runden Loch in einer Tischplatte und inspiziert gut gelaunt und brummelnd die Schienenpaare seiner Hobby-Eisenbahn, die sich wie Reifen um ihn legen.

Es ist der Vater von Elke Mohr, einer der sechs ausstellenden KünstlerInnen der Kunsthochschule Weißensee. Laut Selbstbeschreibung kommen sie zu gleichen Teilen aus der östlichen und westlichen Provinz Deutschlands. Verwechslungen sind also nicht ausgeschlossen. „Fast wie ein Denkmal für Gojko“ nennt Inken Reinert das mit weißen Kissen ausstaffierte Holzpodest. Dazu klingen die dramatischen Dialoge aus dem Off. Auch wer Gojko Mitic, Schauspieleridol aus DEFA-Zeiten und großer Indianerhäuptling, nicht kennt, die von Pferdegetrappel erzitternde Fernsehkuschelecke ist ubiquitär (und Gojko beerbte in Bad Segeberg Pierre Brice, ist das nichts?). So künstlich die ewigen Jagdgründe, so kitschig das Plastikspielzeug moderner Kids. Ingeborg Lockemann hat sie fotografiert oder in realer Gipshaftigkeit zur Denkmalpose erhöht.

Über sich wandelnde Perspektiven und Kontexte geht es in den Arbeiten der anderen Frauen. Ein riesengroßer Kreisel aus Holz von Dorothea Neitzert hat als „Gewachsener“ das Kindermilieu längst gesprengt. Und ihre „Deckenbehausung“, zielstrebig nach oben führende Holztreppen, erinnern daran, wie sehr sich Dachböden zum Abheben aus Zeit und Raum eignen. „Zwei Stühle“ von Andrea Pichl, schwarze Ungetüme mitten im Raum, sind in die Dreidimensionalität übersetzte perspektivische Zeichnungen. Abschüssig wie ihre Sitzflächen verfremdet Pichls Kaltnadelradierungen von sich und ihrer Schwester, die verloren durch den entleerten Erinnerungsraum einer Rußlandreise huschen.

Phantasie schwingt frei durch die Lüfte wie der Bogen des Springseils durch den Himmel. Immer wenn das Seil oben ist, versuchte Roswitha von den Driesch in ihrer Fotoserie, auf den Auslöser zu drücken. Das Thema der Ausstellung liegt in dieser Art Abschweifung auf der Suche nach Kommunikation. Michael Nungesser

Bis 31.8., Do./Fr. 15-19 Uhr, Sa./So. 12-16 Uhr, Verborgenes Museum, Schlüterstraße 70, Charlottenburg