Sanierung mit der Brechstange

■ Rumäniens Regierung will 17 marode Betriebe schließen. Die Arbeiter protestieren und drohen mit Hungerstreik

Berlin (taz) – Seit dem Machtwechsel im November 1996 hat die rumänische Regierung immer wieder angekündigt, endlich die marode Wirtschaft des Landes zu kurieren. Jetzt macht Premierminister Victor Ciorbea Ernst. Vergangene Woche gab er bekannt, 17 unproduktive Unternehmen zu schließen. Weitere 222 mit Verlust arbeitende Betriebe würden demnächst folgen. Die Maßnahmen begründete Ciorbea mit dem Regierungsprogramm, das vor sieben Monaten alle Koalitionsparteien vertraglich akzeptiert hatten.

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Die Belegschaften der ölverarbeitenden Betriebe „Petrotel“ und „Vega“ aus Ploiești sowie der Raffinerie aus Dărmănești gingen auf die Straße. Zwischen Ordnungskräften und Tausenden von Demonstranten kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Auf beiden Seiten gab es Verletzte. Die Fensterscheiben der Präfektur aus Ploiești gingen zu Bruch. Die Gewerkschaftsvertreter warfen der Regierung vor, die legale Kündigungsfrist nicht eingehalten und die Arbeiter innerhalb von 24 Stunden auf die Straße gesetzt zu haben.

Obwohl die Regierung den aufgebrachten Arbeitern eine zwölfmonatige volle Lohnfortzahlung nebst der legalen Arbeitslosenhilfe versprochen hatte, gingen die Proteste weiter. „Nur eine Revolution wird das Problem lösen“, „Nieder mit der Regierung, nieder mit dem Vertreter des Internationalen Währungsfonds, Poul Thomsen“. Vergiß nicht, unser Land braucht dich nicht“, skandierten die Arbeiter. Fieberhaft versuchten die Betriebsleiter nachzuweisen, daß die Regierung die Schulden der Unternehmen falsch berechnet habe und daß die Betriebe nun abgewickelt werden sollten, um dem IWF entgegenzukommen.

Trotz vorsichtiger Taktiermanöver mit den Gewerkschaftsvertretern zeigte sich die Regierung bislang unnachgiebig. Sie forderte die Betriebsmanager umgehend auf, eine Namensliste der Belegschaften aufzustellen, um den von der Schließung Betroffenen die Abfindungssummen auszuzahlen. Am Dienstag hatte noch kein Betrieb die Listen zusammengestellt. Zwei Unternehmen versprach die Regierung eine Gnadenfrist. Bis Ende August müssen die Betriebsleiter nun nachweisen, daß sie wirtschaftlich überlebensfähig sind und keinerlei Schulden haben.

Insgeheim hoffen auch die Leiter der Erdölraffinerien „Petrotel“ und „Vega“ aus Ploiești auf eine solche Kompromißlösung. Noch am Mittwoch aber bekräftigten der Regierungschef und das zuständige Ministerium, daß der Schließungsbeschluß weder rückgängig gemacht noch aufgeschoben würde. Um die angeschlagene rumänische Wirtschaft zu sanieren, hieß es in Bukarester Regierungskreisen, müsse das Programm mit allen sozialen Konsequenzen umgesetzt werden.

Die Gewerkschaftszeitung der Raffinerie von Dărmănești kündigte einen Hungerstreik an, falls die Regierung ihre Pläne nicht zurücknehme. Der Bürgermeister erklärte, durch die Schließung der Raffinerie würde die Warmwasserzufuhr für ungefähr 140 Häuser, für Schulen und Kindergärten unterbrochen. Angesichts alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten sei eine soziale Integration der Arbeitslosen unmöglich.

Der Opposition kommen die jüngsten Auseinandersetzungen mehr als gelegen. Besonders die in einer tiefen Identitätskrise steckende Partei der Sozialen Demokratie (PDSR) des früheren Präsidenten Iliescu hat nun ein neues politisches Betätigungsfeld. Die PDSR-Vizevorsitzende Hildegard Puwak warf der Regierung wirtschaftliche Inkompetenz vor. Das Mitteilungsblatt der Partei Dimineata sprach von „rabiaten stalinistischen Methoden“, die von der IWF-hörigen Regierung durchgezogen würden. „Es ist absurd“, hieß es in Dimineata, „daß die Rumänen am Vorabend des dritten Jahrtausends aufgrund eines fatalistischen ökonomischen Determinismus um Jahrhunderte zurückgeworfen werden“. William Totok