■ Die Fortsetzung der Fummelei mit anderen Mitteln
: Markworts Minipli-Journalismus

Jeden Montag gibt uns Moppelchen Helmut Einblick in sein mit Fakten prall gefülltes Tagebuch. Da ist er Streiter für Sitte, Moral, Anstand, Gerechtigkeit und diese ganze Schiene. In dieser Melange aus eher zähen, dehnbaren und quasi schaumstoffigen Begriffen wühlt Markwort nach seinen harten Fakten, Fakten, Fakten, denen nicht selten das „t“ fehlt, weil Helmut Markwort so wild entschlossen darauf rumgebissen hat.

An einem beliebigen Mittwoch beispielsweise fand Helmut Markwort nach unermüdlicher und harten Fakten-Recherche heraus, daß Henning Voscherau in der Eppendorfer Nicolaikirche „scheinheilig gepredigt“ hat, dabei sei er doch Atheist. Da schau einer an! Entlarvt, der Mann! Kann sich nirgends mehr blicken lassen! Ein Fakt von Markwort, und der Mann ist erledigt. Am Donnerstag dann hat die Gewerkschaft der Polizei Berlin als die „Hauptstadt der Gewaltkriminalität“ bezeichnet.

Helmut Markwort entgeht nämlich nichts. Gnadenlos zerrt er den Fakt auf den Tisch. Da liegt er dann, der Fakt, zitternd und nackt, während Markwort ihn mit gierigen Blicken verschlingt. Der Donnerstags-Fakt zappelt noch hilflos auf Markworts spitzer Feder, aber bevor er sich ihn in seinen großen Mund schiebt, da tischt er schon den Freitags-Fakt auf: Steuerreform. Die ist gut abgehangen und riecht bereits recht streng. Für Fakten-Mann Markwort jedoch kein Grund, nicht daran zu schnuppern und laut rülpsend auch diesen Fakt wegzuputzen. Helmut Markwort läßt auf seinem Tellerchen nichts liegen, alles stopft er in sich hinein, in seine große Biotonne, die er tapfer vor sich herträgt. Und zum Nachtisch zeigt er schon auf den nächsten Fakt, denn hinter jedem Fakt verbirgt sich ein Skandal.

In dieser Woche, die Helmut Markwort knallhart die „Woche der Pharisäer“ nennt, geht er mit den Pharisäern ins Gericht: Was ihm da an „Heuchelei, Scheinheiligkeit und Selbstgerechtigkeit“ aufgetischt wird, das mag er nicht essen. „Keiner will dazugehören, will aber noch das letzte Detail von Diana präsentieren.“ Aber warum schmeckt Markwort sein Süppchen nicht mehr? Hätte er nicht gern ein klitzekleines Faktchen über Diana für sich allein bzw. für Focus gehabt? Wäre das nicht ganz, ganz lecker gewesen? Nein, sagt Markwort, auch wenn er seinen Appetit kaum zügeln kann. Aber dann erinnert er sich an Barschel in der Badewanne, und man sieht, wie er sich reckt und streckt, wie er zur Hochform aufläuft und es aus ihm herauspoltert: „Er war mit falschen Schlagzeilen gejagt und vernichtet worden.“ Markwort sagt, wie es ist.

Den nackten Wurstfinger legt er in die noch offene Wunde, da kennt Helmut Markwort nix. Da langt er so zu wie damals, als er noch Taxifahrer war bzw. einen spielte, und den harten bzw. den wohl eher weichen Fakten des nackten Oberschenkels einer jungen Dame auf dem Beifahrersitz eigenhändig auf den Grund gehen wollte. Da war er schon ganz der Helmut Markwort von heute, ungeheuer neugierig, ja geradezu wißbegierig und draufgängerisch, aber eben auch faktenorientiert. Und insofern ist sein Fakten- Tagebuch, in dem er seinen Minipli-Journalismus ausbreitet, nur die Fortsetzung der Fummelei mit anderen Mitteln. Klaus Bittermann