Durchs Dröhnland
: Unglaublich ruhig

■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche

Römerlatschen- und Hirschbeutel-Alarm: Keimzeit sind wieder in der Stadt! Das Annäherndste, was deutsche Lande jemals zu bieten hatten, wenn es um kultische Verehrung im Grateful-Dead-Format geht. Ein Fest sind ihre Auftritte, weniger Konzert als Zelebration von Gemeinsamkeit (ostdeutsch), jede der verschlüsselten, metaphernbeladenen Zeilen im Publikum bekannt.

12.9., 22 Uhr, Kulturbrauerei/ Kesselhaus, Knaackstraße 97

Nordhausen ist ein Städtchen im Harz, nicht weit entfernt vom Kyffhäuser, mit einem Theater und einem Fußball-Klub, und somit das kulturelle Zentrum der Region. Ansonsten allerdings eher dröge und nicht weiter bemerkenswert. Man fragt sich doch, warum Elektro-Popper wie And One ihre neue Platte nach einem solchen Ort benennen. Die Erklärung ist einfach: Ein Drittel des Berliner Trios lag in Nordhausen für ein halbes Jahr im Krankenhaus, also begann man dort auch gleich mit dem Schreiben der Songs. Nun steht das Kaff symbolisch für viele andere Kleinstädte, für die „Alltäglichkeit des Alltags“ oder so ähnlich. Der Song „Nordhausen“ ist denn auch, im Gegensatz zum sonstigen And-One-Sound, mit einem wohltemperierten Klavier instrumentiert. Ansonsten geht es eher lustig zu, fiepsen und piepsen die Synthies wie angestochene Meerschweinchen, und auch Harpos „Moviestar“ kommt zu neuen Ehren.

13.9., 20 Uhr, Huxley's, Hasenheide 108–114

Aus Di-Gründen wurden in England Konzerttermine verschoben, was wiederum auch Tourpläne hierzulande durcheinanderbringt. So haben Primal Scream abgesagt und ihr Konzert auf einen bisher umbestimmten Zeitpunkt verschoben.

Anderthalb Jahre lang haben die drei von Fettes Brot bei Fritz immer wieder sonntags den „Forellentee“ moderiert. In der Zeit sind sie nicht nur bessere Radiomacher, sondern vor allem richtige Rap-Stars geworden. Und weil es mit dem neuen Album nicht so recht vorangeht und vielleicht auch einfach, weil Luftveränderung immer mal not tut, geben sie die Ätherwellen nun auf. Zum Abschied rocken sie das Zelt mit Freunden wie Massive Töne, Freundeskreis und Da Blumentopf. Im schnöde verlassenen Sender wird live übertragen.

14.9., ab 19 Uhr, Tempodrom, In den Zelten

Im regnerischen Schottland hat Jackie Leven die Sucht hinter sich gebracht, und seitdem ist seine Stimme weich und voller Tiefe, strahlt Wut und Weisheit aus, findet den richtigen Ton für die eigenen Texte, aber auch für die von Emily Dickinson, James Wright oder William Yeats. Die Musik, ein meist sehr vorsichtiges Gitarrengeklimper, das Bezüge zu keltischer Folkmusik erkennen läßt, spielt da nur eine Nebenrolle. Langsam scheinen Levens seelische Furchen zu verheilen, werden seine Platten immer weniger selbstzerfleischend. Auf „Fairytales for Hardmen“ benutzt er zwar immer noch die Ich-Form, schlüpft aber doch recht eindeutig in die Rolle des Märchenerzählers. Von kreischender Lebensfreude ist das noch immer Lichtjahre entfernt, aber auch oder vielleicht gerade in der Traurigkeit liegt eine unglaubliche, fast schon selbstzufriedene Ruhe.

18.9., 22 Uhr, Volksbühne/ Roter Salon

In ihren Songs dreht sich das Leben alleinstehender junger Männer noch um morgendliches Matschigsein, die erste Zigarette, langweiliges Radio und das Frauengesicht im Supermarkt. Die Giant Steps kommen zwar aus Hamburg, aber mit der Schule dort verbindet sie bestenfalls der Wortschwall ihres Sängers. „Ich erzähl' dir was“ heißt ein Refrain, und dann erzählt er halt was – ein ellenlanges Stück lang, nicht mal dumm, fast plaudernd. Die Musik groovt sehr leise vor sich hin, um pünktlich zu explodieren. Ansonsten geht es von Anfang an zur Sache. Ist also irgendwie Rock, hat Gitarren und lehnt sich gekonnt an amerikanisch lärmende Vorbilder an.

18.9., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Eintritt frei!

Manchen in England interessieren die Unterschiede zwischen Jungle und Drum 'n' Bass schon lange nicht mehr. Photek sucht statt dessen nach den letzten Grenzen, die Elektronik noch zu bieten hat. Die Plateaus, und in diesem Fall sind es tatsächlich annähernd Millionen, türmen sich, die Tempi stürzen übereinander, dazwischen zischeln wenige natürliche Laute. Das Ergebnis: Landschaften, die nie zuvor ein Mensch betrat. Und das wird auch in Zukunft schwierig sein, denn für den Tanzboden sind Photeks Entwürfe für das nächste Jahrtausend in ihrer metallisch-unmenschlichen Präzision zu distinguiert.

18.9., 23 Uhr, Icon Club, Cantianstraße 15

Was im Bereich, der einmal zum Tanzen bestimmt war, längst freundlich akzeptiert wird, nämlich daß man nicht immer nur doof mitschunkeln können muß, ist im Metal inzwischen wieder eine Seltenheit und eher ehrenrührig. Allen voran Metallica schwenkten auf der Höhe ihrer Schaffenskraft in den Mainstream ein und beständigen Einzelkämpfern wie Voivod fehlt weiter ein größeres Publikum, weil sie zu kompliziert für den durchschnittlichen Metallurgen sind, die halbwegs intelligenten Menschen sich aber inzwischen die Haare abgeschnitten haben. Also bosseln die Kanadier weiter an ihrem Pionierdenkmal, setzen dort ein Riff hin, lösen hier Songstrukturen auf, spielen mit Geschwindigkeiten wie eine Katze mit der Maus und schaffen ihre epischen Thrash-Dramen. Ganz Tapfere können sich auch am Headbanging versuchen.

18.9., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224 Thomas Winkler