Japans boomender Export nervt USA

■ Handelsüberschuß Japans klettert um zwei Drittel und beendet Geduld der Amerikaner. Handelskonflikt droht

Tokio (taz) – Japans politisch brisante Handelsbilanz ist wieder tiefschwarz eingefärbt: Gleich um sagenhafte 62,7 Prozent stieg der Außenhandelsüberschuß im Juli im Vergleich zum Vorjahr – schön für das Land, aber schlecht für seine Handelspartner. Wie das Finanzministerium gestern mitteilte, stieg der Überschuß auf 906 Milliarden Yen (13,5 Milliarden Mark).

Beflügelt von der Yen-Schwäche, haben die Japaner erheblich mehr in die Vereinigten Staaten und nach Europa exportiert als ohnehin schon im vergangenen Jahr – und vor allem viel mehr, als sie importiert haben. Das geht besonders zu Lasten der USA, die traditionell erheblich mehr japanische Waren einführen, als sie dorthin exportieren. Die 62,7 Prozent Wachstum werden die USA aufschrecken, die im Rausch des eigenen Booms bis vor kurzem nachsichtig mit Japan waren. Kürzlich gab es die erste leise Kritik an der Steuer- und Handelspolitik der Regierung Hashimoto. Mit der Steuerpolitik werde die Inlandnachfrage abgewürgt, und die Handelspolitik Japans ziele darauf ab, sich mit Exporten aus der Rezession zu hieven. Tatsächlich nahmen die Exporte im Juli um 12,1 Prozent auf 4,16 Billionen Yen zu, während die Importe gerade um 3,3 Prozent auf 3,12 Billionen Yen anstiegen. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich nicht nur eine Exportoffensive Nippons, sondern hausgemachte Strukturprobleme. Ähnlich wie in Deutschland stützt sich Japans wirtschaftliche Erholung nur auf den Export, während die Inlandnachfrage vor sich hin dümpelt. Das wollte Hashimoto in den vergangenen zwei Jahren mit Konjunkturspritzen in Höhe von über 700 Milliarden Mark ändern. Die Gelder halfen zwar, die Rezession zu überwinden, rissen jedoch ein gähnendes Loch in die Staatskasse, das die Regierung Hashimoto zu einem Sparkurs zwang.

Mit einer zweiprozentigen Erhöhung der Konsumsteuer im April dieses Jahres und der Abschaffung von Steuererleichterungen für Privatpersonen will sich die Regierung jährlich rund 6,2 Billionen Yen (93 Milliarden Mark) Mehreinnahmen zur Defizitverminderung verschaffen. Andere Strukturprobleme wie die Überalterung der Gesellschaft und eine Explosion der Heilungskosten will Hashimoto mit der Erhöhung der Beiträge für die Altersvorsorge und die Krankenversicherungen lösen. Mit diesen Mehrbelastungen wird aber den japanischen Konsumenten in diesem Fiskaljahr rund 117 Milliarden Mark Kaufkraft abgeschöpft. Deshalb rechnen Ökonomen für 1997 nur noch mit einem Konjunkturwachstum von 1,5 Prozent statt der amtlich prognostizierten 2 Prozent.

Die Inlandnachfrage dreht also nicht als Konjunkturmotor. Als einzige Alternative zu dem Dilemma sah die Regierung die Abwertung des Yen gegenüber dem Dollar, um wenigstens die Exportwirtschaft zu stützen. Vergangene Woche endete daraufhin die Zurückhaltung der USA: Erstmals verhängte sie wieder Sanktionen gegen japanische Schiffahrtslinien. Als Indiz für eine härtere Gangart der USA ist dies in Tokio verstanden worden. Es sieht ganz danach aus, als sollte das steigende Leistungsbilanzdefizit schon bald wieder zum alles übertönenden Leitmotiv in den US-amerikanisch-japanischen Beziehungen werden. André Kunz