Gründer sind Seiltänzer

■ Wirtschaftssenator feiert Erfolge: 40.400 Gründungen und 33.500 Pleiten

Das Glas ist für Elmar Pieroth stets halb voll, nicht halb leer. Auf den diesjährigen Gründertagen, die ab morgen in der Technischen Universität stattfinden, wird der Wirtschaftssenator zum wiederholten Male junge Wissenschaftler auffordern, die Uni zu verlassen. Sie sollen sich mit ihren Ideen und Forschungsergebnissen selbständig machen. Denn immerhin die Hälfte der Berliner Existenzgründer überlebt den Gang auf den Markt – so betont er –, mindestens die ersten fünf Jahre. Die zweitägigen Gründerseminare, bei denen ein Einblick vom Marketing zum Management, von der Finanzierung zum Franchising vermittelt wird, locken bundesweit Interessierte an.

„Die Stadt ist bekannt als guter Standort für Unternehmensgründungen“, lobt Wirtschaftsstaatssekretär Wolfgang Branoner. Die Zahlen, die er präsentiert, markieren Erfolge: 40.400 Gewerbeanmeldungen und nur 33.500 Abmeldungen im vergangenen Jahr. Rund die Hälfte aller Anmeldungen seien Existenzgründungen. Doch der diesjährige Gründertage-Slogan „Selbst und ständig? Machen Sie sich selbständig!“ eröffnet ungewollt, daß hinter der positiven Bilanz von fast siebentausend zusätzlichen Gewerbebetrieben im vergangenen Jahr auch eine umfangreiche Zahl von Konkursen und Schließungen steht, samt gescheiterten Gründerexistenzen. Aber daß die Hälfte aller Gründerunternehmen die Markteinführung nicht übersteht, ist für die Wirtschaftsverwaltung Grund genug, die restlichen 50 Prozent aller Neugründungen zu feiern.

Auch die Gesamtzahl aller Existenzgründungen pro Jahr nimmt ab. Während 1991 der Markt noch um 22.000 Gewerbebetriebe pro Jahr wuchs, sank diese Wachstumszahl bis 1994 stetig auf weniger als die Hälfte und im vergangenen Jahr auf weniger als ein Drittel. Das Berufsbild der UnternehmensgründerInnen ähnelt SeiltänzerInnen. Doch nicht nur der Balanceakt zwischen Gründungskrediten und Auftragseingängen macht den JungunternehmerInnen zu schaffen, sondern auch die unkalkulierbare Fördermittelvergabe der Senatsverwaltungen. Denn mit jeder neuen Haushaltssperre können bereits zugesagte Fördergelder wieder gestrichen werden. Peter Sennekamp