■ Löhne runter, Arbeit her – ein SPD-Kanzlerprogramm?
: Standort Schröder

Daß der Standort in Gefahr ist, das hat sich herumgesprochen in den vergangenen zwei, drei Jahren, dafür haben die Unternehmer schon gesorgt.

In Gefahr bringen den Standort hohe Löhne. Denn hohe Löhne verhindern Innovationen, weil ein übermäßig verteuerter „Faktor Arbeit“ (Neuprägung für variables Kapital) die Konkurrenzposition deutscher Unternehmen am Weltmarkt verschlechtert. Allenfalls bleibt den Unternehmern dann noch, Arbeitsplätze abzubauen (oder jedenfalls keine neuen Arbeitnehmer mehr einzustellen), was den „Faktor Arbeit“ wiederum mittelbar verteuert, da das wachsende Heer der Arbeitslosen aus den öffentlichen Schatullen alimentiert werden muß, welche wiederum durch Steuergelder (Lohnsteuer! Faktor Arbeit!) gefüllt werden.

Gerhard Schröder weiß das, und deshalb will er Kanzler werden. Denn wenn er Kanzler ist, dann möchte er den Faktor Arbeit verbilligen. Mit einem System öffentlicher Lohnsubventionen will er Arbeitslose wieder in Beschäftigung bringen. Er will für Unternehmer attraktiv machen, Arbeitnehmer zu niedrigen Löhnen anzustellen. Damit die von ihrem Salär leben können, schießt der Staat dann zu. So steht's in den Wirtschaftsthesen des Niedersachsen, die allgemein und wohl nicht zu Unrecht als Bewerbungsschrift um die Kanzlerkandidatur der SPD gewertet werden. Jobs, Flexibilität, Innovation – das alles gäbe es in Schröders Standortdeutschland.

Wenn Schröder damit aber bloß nicht den Standort in Gefahr bringt. Ist doch das Blöde an den Löhnen, daß nicht nur hohe ein Standortnachteil sind, auch niedrige sind ein solcher. Denn es sind vor allem hohe Löhne, die den ewigen Stachel ins Fleisch des Kapitals treiben, immer neue Rationalisierungsinvestitionen durchzuführen. Was aber sind Innovationen, wenn nicht die Folge solchen Rationalisierungsdrucks?

Man stelle sich nur eine Volkswirtschaft vor, in der immer mehr billige Arbeitskräfte werken. Dick und fett werden die Unternehmen, faul und unflexibel. Warum sollten sie die billigen Arbeiter durch technische Wundermaschinen zu ersetzen suchen? Von Innovation wäre keine Spur.

Eine vertrackte Sache, Herr Schröder, ist's mit dem neuesten Kapitalismus. Teure Arbeitnehmer will dieser nicht bezahlen. Billige kann er sich auf lange Sicht nicht leisten. Robert Misik

Redakteur des österreichischen Magazins „Profil“