Sexismus mit menschlichem Anlitz Von Wiglaf Droste

„Von einer Frau darf man erwarten, daß sie sich den sexistischen Anforderungen des Lebens stellt“, höre ich eine Stimme sagen – und ich bin sehr erstaunt, daß es meine eigene ist. „Daß sie also nicht nur intelligent ist, sondern gut aussieht.“ Meine ich das jetzt ernst, oder will ich bloß jemanden ärgern? Wenn man das immer so genau wüßte!

Bei der jungen Frau mir gegenüber jedenfalls hat der kurze Essay bereits einiges in Gang gebracht. Sie setzt diesen leicht pikierten Habe-ich-da-richtig-gehört?-Blick auf, der in Frauenzeitschriften als Zeichen weiblichen Selbstbewußtseins verkauft wird. „Du hast doch sicher schon davon gehört“, sagt sie in schneidend ironisch sein wollendem Ton, „daß die Zeit nicht stehengeblieben ist. Heutzutage müssen auch Männer gut aussehen.“ Gehört habe ich manches, das ist wahr. Aber daß ich das meiste dessen, was man so hört, für irgendwie bedenkenswert hielte, kann ich nicht behaupten.

Dennoch lenke ich ein: „Klar. Nichts gegen einen gutaussehenden Mann. Ist 'ne prima Sache; es gibt keinen, der männliche Schönheit mehr schätzt als ich. Bloß kommt's doch drauf an, was einer im Hirn hat. Bei Männern wie bei Frauen. Aber als Mann finde ich männliche Dummheit unerträglicher als weibliche. Kuck dir doch diese armseligen Typen an, die sich die Brust rasieren und für Schlawiner wie Joop oder Calvin Klein Unterhosenreklame stehen. Die funktionieren doch nach der Regel: Wer nichts in der Birne hat, muß wengistens hübsch sein. Oder nimm die Anzugmodelle von Hugo Boss. Die sehen nicht aus Zufall aus wie von Arno Breker modelliert mit ihren Arierfressen. Während der Nazizeit hat die Firma Boss im großen Stil SS-Uniformen hergestellt. Das österreichische Profil hat das vor kurzem aufgedeckt, und keine deutsche Zeitung hat es aufgegriffen. Aber ich will nicht abschweifen: Noch verächtlicher als deutsche Journalisten sind männliche Kleiderständer und Models!“

Die junge Frau aber gibt Widerworte, was mir grundsätzlich sympathisch ist, nur in diesem Fall nicht. „Du verstehst es eben nicht“, sagt sie. „Als Mann hast du eine typisch männliche Optik.“

Das wiederum lasse ich nicht gelten. „Ich weiß genau, was eine Frau fühlt“, sage ich, „denn ich bin selbst eine.“ Die junge Frau sieht mich an, als ob ich mächtig einen an der Kanne hätte. „Ja“, sage ich, „ich bin eine Frau. Natürlich nicht äußerlich. Äußerlich würde ich nicht mal als russische Kugelstoßerin durchgehen. Da war ja sogar Tamara Press noch femininer. Und ich bin auch keine, wie Max Goldt mal geschrieben hat, ,westfälische Bauersfrau mit Hormonstörungen‘. Aber im Inneren bin ich eine Frau. Das Wort Doppel- oder Mehrfachbelastung ist mir nicht fremd. Für mich und die Meinen muß ich Geld verdienen, und dazu noch einkaufen, kochen, waschen usw., und wenn ich abends erledigt an der Spüle stehe, geht mir die Süße von hinten an den Arsch oder an die Nippel. Den ganzen Tag machen und tun, und nachts heißt es dann: Mutter, mach die Beine breit. Und um des lieben Friedens willen... Ach, erzähl mir nichts. Ich weiß Bescheid...“

Zum Abschied verabreden wir, das Thema noch in den nächsten Wochen bei einem Picknick weiter zu diskutieren. Darauf bin ich schon jetzt sehr gespannt.