„Über Geld steuere ich mehr als über Quoten“

■ Mehr Frauen als Männer beginnen in diesen Tagen ein Universitätsstudium. Christine Färber, Frauenbeauftragte der Freien Universität Berlin, begrüßt diesen weiblichen Bildungsdrang

taz: 1997 beginnen in Deutschland mehr junge Frauen als Männer ein Studium. Sind 53 Prozent Erstsemesterinnen ein Beleg für die Emanzipation?

Christine Färber: Die Zahlen gelten nur für die Universitäten. Frauen an den Fachhochschulen machen weiterhin nur um die dreißig Prozent aus. Deutschland ist, was die Hochschulausbildung von Frauen angeht, also noch immer das Schlußlicht in Europa. Dennoch: Das vermehrte Hochschulstudium ist der Versuch von jungen Frauen – fast ausschließlich aus der Mittelschicht –, über eine formale Qualifikation einen Wettbewerbsvorteil von Männern wettzumachen. Allerdings studieren viele Frauen auf Lehramt, obwohl kaum noch Lehrkräfte in den Staatsdienst übernommen werden.

Was tut die FU Berlin für den weiblichen Aufstieg?

An der FU wurde seit 1995 jede dritte Professur mit einer Frau besetzt. Damit sind wir führend in Deutschland. Wir haben insgesamt 50 Prozent Studienabsolventinnen und vergeben 47 Prozent der Promotionsstellen an Frauen. Wir haben 38 Prozent abgeschlossene Promotionen von Frauen und vergeben 37 Prozent unserer Habilitationsstellen an Frauen – das ist einsame Spitze. Die FU hat zu diesem Zweck auch ein finanzielles Anreizsystem: Fachbereiche, die etwas für Frauen tun, bekommen Gelder, untätige Fachbereiche bekommen Gelder gestrichen.

Die Stellen an der FU werden extrem gekürzt, bleiben da noch frauenpolitische Erfolge übrig?

Bei uns stehen zahlreiche Pensionierungen an, deshalb gäbe es in den nächsten Jahren viele freie Hochschullehrerstellen, aber diese Stellen sind alle mit einem Kann- wegfallen-Vermerk versehen. Da, wo Frauen potentiell reinkämen, ist dann kein Platz für niemand.

Nützt Ihnen die Novelle des Hochschulrahmengesetzes?

Als positiv werte ich, daß die Gleichberechtigung einen eigenen Paragraphen erhält und das Frauenbeauftragte vorgeschrieben sind. Aber es gibt es keine Zielvorgaben über den gewünschten Anteil der Doktorandinnen oder Professorinnen. Die Mittelvergabe wird nicht von der Frauenförderung abhängig gemacht. Außerdem sind Studiengebühren möglich, was sich sehr negativ auf die Studentinnenzahlen auswirken wird. Denn Frauen haben es schwerer, Studienschulden zurückzuzahlen, weil sie während der Familienphase und bei der Karriere diskriminiert werden.

Es steht zu befürchten, daß der Europäische Gerichtshof demnächst die nordrhein-westfälische Frauenquote für rechtswidrig erklärt: Frauen dürften damit bei gleicher Qualifikation nicht mehr bevorzugt eingestellt werden. Würde ein solches Urteil Ihre Arbeit belasten?

(lacht). Nur in einer Hinsicht: Alle haben das Feixen im Gesicht, und ich könnte reinhauen. Die Frage gleichwertiger Qualifiktion ist für uns im Alltag wenig relevant. Wichtiger ist, den Professoren klarzumachen, daß sie Frauen diskriminieren, wenn sie nicht einen bestimmten Anteil Frauen beschäftigen. Wir argumentieren recht erfolgreich damit: Wir haben 50 Prozent Absolventinnen, und dann ist es doch nur fair, wenn Frauen auf der nächsten Stufe auch einen Anteil von 50 Prozent haben.

Sie appellieren an ein gesellschaftliches Gerechtigkeitsempfinden, aber so ein Gerichtsurteil unterminiert dieses Empfinden.

Ich brauche die automatische Bevorzugung bei gleichwertiger Qualifikation nicht. In der Praxis sieht es doch so aus: Ein Professor hat nur eine wissenschaftliche Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter. Er ist darauf angewiesen, daß die Kooperation funktioniert. Er kann es sich nicht leisten, aus einem ominösen Gleichheitsgedanken eine Frau einzustellen, von der er denkt: Mit der stimmt die Chemie nicht. An der FU erlebt dieser Professor schon bei den studentischen Hilfskräften zur Hälfte Frauen. Wenn er Abschlußarbeiten betreut, erlebt er wieder zu fünfzig Prozent Frauen. Diese Professoren erfahren also in ihrem engsten Umfeld: Die Frauen sind gut. Bei den Promotionsstellen läuft es ähnlich. Nur bei den Habilitationsstellen geht es mehr um die Wurst. Da sind die Ausgrenzungsmechanismen viel schlimmer. Hier brauchen wir das Sonderprogramm für Frauen. Deshalb setzt auch unser finanzielles Anreizsystem dort einen Schwerpunkt. Über Geld kann ich mehr steuern als über Entscheidungsquoten. Interview: Barbara Debus