■ Stolpe, Bubis und der Fall Gollwitz: Verbalradikalismus nützt nichts
: Rassisten raus! Nur wohin?

Der Brandenburger Ministerpräsident Manfred Stolpe sei ein großer Verharmloser, stand gestern an dieser Stelle zu lesen. Der Grund: Stolpe habe die antisemitisch begründete Ablehnung russisch-jüdischer Zuwanderer durch das Dorf Gollwitz als „Planungsfehler“ seiner Regierung uminterpretiert und verharmlost. Stolpes nachträglicher Versuch, sich gegenüber dem darüber sehr erzürnten Ignatz Bubis zu entschuldigen und zu einem neuen Konsens zu finden, sei eine „laue Ausflucht“. Es sei im siebten Jahr der Vereinigung „ein Hohn“, wie Stolpe davon zu spreche, den Ostdeutschen stünde im Umgang mit Fremden „noch eine riesige Lern- und Lehraufgabe bevor“.

Letzteres ist aber keine Frage von Hohn, sondern eine schlichte Feststellung. Das ist auch nicht der Streitpunkt zwischen Stolpe und Bubis in dem vom Berliner Tagesspiegel initiierten Versöhnungsgespräch. Ganz im Gegenteil: Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden bestätigt, er habe in den letzten fünf Jahren „mit fast 400.000 jungen Leuten diskutiert, von denen 350.000 in mir den ersten Juden überhaupt gesehen haben“. Aufgrund dieser „DDR-Nichterfahrung“ ist auch Bubis der Überzeugung, in Gollwitz handele es sich „nur am Rande um Antisemitismus, aber in erster Linie um Fremdenfeindlichkeit, denn für die Gollwitzer sind Juden Fremde“. Am Ende dieses äußerst fruchtbaren Gespräches kommen beide auf die Idee, gemeinsam in Gollwitz aufzutreten.

Es ist leicht, auf den Fall Gollwitz ausschließlich mit moralischer Empörung zu reagieren, wie es vor allem westdeutsche Medien gerne tun. Es ist leicht, „Rassisten raus!“ zu schreien, wie es manche antirassistischen Initiativen gerne tun. Aber wohin mit ihnen? Ins Meer? Die Gollwitzer als deutschen Exportschlager in alle Welt versenden?

Trotz seines äußerst gruseligen Anfangs hat der Fall Gollwitz einige bemerkenswerte Wendungen genommen. Die Dorfbewohner sind in einer – noch nicht abgeschlossenen – Rückzugsbewegung, sie haben den organisierten Rechtsradikalen nicht den Gefallen getan, Gollwitz in eine „national befreite Zone“ zu verwandeln. Stolpe hat sich gegenüber Bubis entschuldigt: Er hätte von Anfang an klarstellen müssen, „daß wir aufnahmebereit sind und jeder Form von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und erst recht Antisemitismus entgegentreten“. Und mit der neuesten Initiative der Brandenburger SPD, russische Juden zukünftig möglichst in größeren Städten mit entwicklungsfähigen jüdischen Gemeinden unterzubringen, dürften alle Beteiligten glücklicher sein. Ute Scheub