Auf Mission wie einst die Mönche

Wie Basketballer Michael Jordan und seine Chicago Bulls auf den Plätzen und in den Schenken von Paris vom Reich und der Herrlichkeit der prosperierenden NBA predigen  ■ Aus Paris Matti Lieske

Morgens um neun an einem regnerischen und kühlen Pariser Herbsttag ist das Marsfeld kein angenehmer Ort. Und so fiel das Lächeln des Michael Jordan beim Fototermin der Chicago Bulls zu Füßen des Eiffelturms ziemlich gequält aus. Die berühmte Nummer 23 des NBA-Champions gab sich dennoch alle Mühe.

Schließlich hat Jordan nicht nur einen Ruf als untadeliger, handzahmer und stets freundlicher Profi zu verteidigen, sondern er hat auch eine Mission zu erfüllen: so wie einst irische Mönche die heidnischen Stämme des Kontinents heimsuchten und ihre heiligen Bäume umhackten, so ziehen die Abgesandten der NBA in die Welt, um von der Herrlichkeit ihrer prosperierenden Liga zu künden und den anderen Basketball- Völkerschaften hin und wieder eins überzubraten.

Den Höhepunkt bildet dabei neben Olympia und WM ein Turnier mit einem besonders unappetitlichen Namen: die McDonald's Open, eine mittlerweile alle zwei Jahre stattfindende Veranstaltung in einer europäischen Metropole, bei der sich seit 1987 ein NBA- Team, inzwischen der Champion höchstselbst, mit den besten Mannschaften der übrigen Welt mißt. Larry Bird war dabei (1988), Patrick Ewing (1990), Magic Johnson (1991), Charles Barkley (1993), nur Michael Jordan erstaunlicherweise noch nicht. Kein Wunder also, daß er in diesen Tagen ein gefragter Mann ist.

Hinzu kommt, daß die beiden Teamkollegen, die ihm charismamäßig wenigstens bis zu den Fußknöcheln reichen, nicht dabeisind: Scottie Pippen, weil er Anfang der Woche am Fuß operiert wurde, und Dennis Rodman, weil ihn die lange verzögerte Vertragsverlängerung bei den Bulls offenbar so mitgenommen hat, daß er gleich eine Lungenentzündung bekam. Nun wollen alle erst recht Jordan sehen, doch da spielt seine luftige Majestät dann doch nicht mit. Der Meister geht zur Talkshow ins Fernsehen, die Knochenarbeit der Autogrammstunden in Kaufhäusern und Megastores erledigt die Reservebank.

„Heute bei McDonald's“, verkündet ein Poster, „Bill Wennington, Jason Caffey, Scott Burrell und Jud Buechler.“ Nun ja. Die Champs Elysées müssen nicht gesperrt werden, als das schreibfreudige Quartett anrollt, aber ein gewisser Andrang herrscht dennoch. Man nimmt eben, was man kriegen kann, auch wenn die finster vor sich hindräuenden schwarzen Männer in schwarzen Anzügen, die für die Sicherheit zuständig sind, immer wieder erklären müssen, nein, Mr. Jordan werde leider nicht erscheinen.

Freuen kann sich immerhin, wer eine der begehrten Karten für die beiden Spiele der Bulls heute und morgen ergattert hat. Gerüchte, daß er nicht gesund sei, verweist Michael Jordan lachend ins Reich der Fabel und verkündet: „Ich werde spielen, so lange, wie es nötig ist, um zu gewinnen.“ Auf keinen Fall wolle man das erste NBA- Team sein, das bei diesem Turnier verliert.

„Der europäische Basketball hat sich enorm verbessert“, weiß aber auch Jordan. Heute abend spielen die Bulls gegen den Sieger der Partie zwischen Gastgeber Paris St. Germain und dem FC Barcelona. Der spanische Meister hat mit Aleksander Djordjevic und Jerrod Mustaf zwei ehemalige NBA-Spieler in seinen Reihen, die mit Vergnügen zeigen würden, daß es ein Fehler war, sie in den USA abzuservieren. Morgen spielt Chicago dann entweder gegen den schwer einzuschätzenden Südamerikameister Atenas de Cordoba, den Europaliga-Sieger Olympiakos Piräus oder den italienischen Champion Benetton Treviso.

Eine prekäre Konstellation. Auf der einen Seite die Bulls, die sich noch in der Vorbereitung befinden, diverse Promotion-Aktivitäten zu absolvieren haben und auf zwei ihrer wichtigsten Spieler verzichten müssen. Auf der anderen Seite hochmotivierte Spitzenteams, die unbedingt beweisen wollen, daß der Titel „Weltmeister“, den sich die NBA-Champions ganz selbstverständlich unter den Nagel reißen, so leicht nicht zu haben ist. Darüber kann Jordan nur höhnisch lachen. „Was wir in diesem Sommer erreicht haben, kann uns keiner nehmen“, stellt er fest und rät den vorwitzigen Maulhelden, doch mal eine Weile rüberzukommen, wenn sie glaubten, fünf NBA-Titel zu holen sei eine Kleinigkeit.

Ganz wohl ist ihm trotzdem nicht. „Irgendwann wird jemand verlieren“, hatte Charles Barkley 1993 nach dem Sieg seiner Phoenix Suns gesagt, „ich bin froh, daß ich es nicht bin.“ Der große Michael Jordan möchte es am allerwenigsten sein, weiß aber als Olympiastarter, wie schwer den US-Profis die Umstellung auf die in der NBA verbotene Zonendeckung fällt. Und Manndeckung, vermutet er, „werden sie gegen uns kaum spielen“. Hinzu kommt, daß Paris nicht unbedingt eine Stadt ist, die totale Konzentration auf Basketballspiele leicht macht. „Tourismus könnte eine Ablenkung sein“, sinniert Jordan, „Nachtleben ist es wohl nicht. Hoffe ich wenigstens.“