Spiritualität statt Kompostkurse

■ 15 Jahre nach der Gründung sattelt das Ökowerk von ökologischer Firmenschulung auf „Verinnerlichung“ um: Yogakurse und Pflanzenkonzerte für angehende „Tiefenökologen“

Was tun? Das hatten sich in den vergangenen Jahren die hauptamtlichen Mitarbeiter und Angehörigen des Berliner Umweltpädagogikvereins Ökowerk angesichts rückgängiger Zuschüsse aus den städtischen Finanztöpfen gefragt. Was tun, wenn zugleich das Interesse betrieblicher Personal- und Fortbildungsplaner an einer ökologischen Schulung ihrer Mitarbeiter zurückgeht? Spirituelle Naturerfahrung anstelle von Kompostkursen und Expertenschulung heißt die Antwort, auf die man jetzt setzen will.

Esoterik? Lothar Semsch, Geschäftsführer beim Ökowerk, winkt ab: „Mit Esoterik hat dies nichts zu tun.“ Die Betonung liege vielmehr auf „Verinnerlichung“. Wie große Firmen schon seit längerem ihre Manager auf Survivaltrips in die Wildnis schicken, um ihnen Teamgeist und Durchsetzungskraft beizubringen, wollen die sechs hauptamtlichen Mitarbeiter der Schulungsstätte am Teufelssee jetzt Naturerfahrung lehren. Mit begleitendem Yogatraining zur Entdeckung der „Natur in uns“ oder sogenannten „Pflanzenkonzerten“ wollen sie aus Wirtschaftskräften „Tiefenökologen“ machen.

Bis 1993, erklärt Semsch, sei man beim Ökowerk mit den traditionellen Angeboten „Naturpädagogik“ und „ökologische Firmenschulung“ noch auf ausreichend Resonanz gestoßen. „700 Mitarbeiter der städtischen Garten- und Forstbetriebe haben wir so ausgebildet“, betont er. Doch seit etwa vier Jahren zögen sich vor allem die wirtschaftlichen Kursnehmer zunehmend zurück. Semsch: „Der Boom ist vorüber. Was sich nicht unmittelbar rechnet, bezahlen die Betriebe nicht mehr.“

Zugleich haben auch die Berliner Behörden ihre Subventionen gegenüber der Jahreshöchstleistung von 500.000 Mark 1995 deutlich verringert. Weil die Bezirke auch keine Ökowerk-Ausbildung für ihre Mitarbeiter mehr finanzierten, erhalte man so heute nur noch 300.000 Mark. „Der gesamte Umsatz hat sich deshalb bei 0,7 bis 0,8 Millionen Mark eingependelt gegenüber 1,7 Millionen Jahresumsatz 1993“, sagt Semsch.

So hoffen die allesamt diplomierten Naturexperten am Ökowerk auf naturverbundene Menschen in der Wirtschaft: Führungskräfte, die aus persönlicher Neigung sich zur spätestens seit Rio weltweit geforderten Nachhaltigkeit ausbilden lassen wollen. „Ökoaikido“ als Erlebnisvermittlung wissenschaftlich-komplexer Zusammenhänge. „Akademische Schulungen hatten wir jetzt genug“, sagt Semsch. Vielmehr benötige die Welt nun auch Menschen, die Gedankenkonstrukte wie „sustainable development“ in ihrem Innersten begreifen lernten.

Dennoch, so versichern die Ökowerk-Planer, werde man das Bewährte weiterführen: Kurse für Kinder, Waldlehrgänge oder Einführungen in ökologische Betriebswirtschaft seien auch im neuen Programm vorgesehen. Das soll im November als Vierjahresplan erhältlich sein. Für kommenden Sonntag erwartet das Ökowerk über 1.000 Besucher auf dem zweieinhalb Hektar großen Gelände. Schließlich will man dort beim traditionellen Jahresabschluß auch das 15jährige Bestehen des Vereins feiern. Tilman Weber

Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin e.V., Teufelsseechaussee 22-/–24, 14193 Berlin