Linke Gewerbeseilschaft

■ PDS-naher Unternehmerverband für Berlin-Brandenburg, Owus, hat sich nach drei Jahren regional etabliert und Nachahmer im ganzen Osten gefunden

Nun sind die Kapitalisten doch wieder aus dem Karl-Liebknecht- Haus ausgezogen. Dort in der PDS-Zentrale hatte der im Oktober 1994 gegründete „Offene Wirtschaftsverband der klein- und mittelständischen Unternehmer, Freiberufler und Selbständigen in Berlin und Brandenburg e. V.“ (Owus) ein Büro. Mit dem Wechsel nach Marzahn vor einem Jahr wollte man nicht nur in den Wirtschaftsraum Ost – ein Aufgabenschwerpunkt des Verbandes – ziehen, sondern auch ein Zeichen setzen: „Wir sind kein Parteiverband“, betont Owus-Geschäftsführer Max Malitzky.

Ein sehr parteinaher allerdings. Von den knapp einhundert Gründungsmitgliedern – weniger geldsatte Aufschwung-Ost-Gewinnler denn vielmehr enttäuschte Kleinunternehmer – waren nicht wenige PDS-Sympathisanten oder Mitglieder. Auch andere Linksgesinnte wie der Westberliner Alt-68er Norbert Rahmlow, der einen Plattenladen in der Friedrichstraße betreibt, hofften auf ihrer „Suche nach einer politischen Heimat“ fündig zu werden.

Von den Bonner Schönrednern erwarteten sie sich jedenfalls keine große Hilfe mehr. Weil die Kleinstkapitalisten neben der Gemeinschaft auch eine Lobby suchten, hatten sie folgerichtig das prominenteste Owus-Mitglied zur ersten Chefin gewählt: Die Ex-DDR- Wirtschaftsministerin und heutige Berliner PDS-Bundestagsabgeordnete Christa Luft.

Inzwischen übernahm ihr Abgeordnetenkollege Rolf Kutzmutz den Vorsitz. Der wirtschaftspolitische Sprecher der PDS-Bundestagsgruppe wurde in seiner neuen Funktion bereits von Wirtschaftsminister Rexrodt zur Kenntnis genommen: „Sie haben jetzt auch einen Mittelstandsverband, was macht der denn so?“ Statt die Satzung runterzuspulen, antwortete der PDSler nur: „Was macht denn Ihrer?“ Was insofern passend war, als die westlichen Unternehmerverbände in den Augen vieler Ostunternehmer nichts tun, was eine Berücksichtigung ihrer Probleme zu nennen wäre.

Owus versucht da zu helfen, indem man zum Beispiel Kontaktbörsen organisiert (demnächst gibt es eine mit tschechischen, polnischen und vietnamesischen Unternehmern), die Mitglieder über Fördermöglichkeiten oder aktuelle Auftragsvergaben informiert. Die „aktive Einflußnahme auf die Politik“, beispielsweise zur Schaffung übersichtlicherer Förderinstrumentarien, klappt auch zunehmend besser. Die PDS hat gerade einen Antrag im Bundestag eingebracht, der auf die Straffung der Förderrichtlinien und eine stärkere Ausrichtung auf Beschäftigungsimpulse zielt.

Den Bemühungen um mehr wirtschaftspolitische Kompetenz der PDS stehen allerdings, so Kutzmutz, die Meinungen einiger GenossInnen gegenüber, wonach es doch reiche, wenn man den Reichen das Geld wegnehme und verteile. „Für mich ist nicht jeder Gewinnstrebende gleich ein böser Mensch“, sagt er. Entscheidend sei, wie der Gewinn entstehe und verteilt werde. In der PDS mußte er sich deshalb vorhalten lassen, ob er nicht die linke Basis verlasse, wenn er sich mit Unternehmern einlasse. „Die Owus-Mitglieder sind ja oft nur aus Angst vor Arbeitslosigkeit selbständig geworden. Die stehen doch nicht plötzlich auf der anderen Seite“, sagt er. Was man auch daran sieht, daß 41 Prozent bei der letzten Abgeordnetenhauswahl PDS wählten.

Viel Zoff gab es darum nach einem Parteitagsbeschluß, wonach Fördergelder nur an Tariflohn zahlende Betriebe im Osten vergeben werden sollten. Die Owus-Leute stimmten dagegen, weil es die Konzerne begünstige, aber bei den kleinen Krautern derzeit unrealistisch sei. Inzwischen haben sich die Fronten wieder beruhigt, nachdem die Selbständigen beteuerten, bei allem Kampf um ihre Existenzsicherung auch das Nachdenken über eine gerechtere Gesellschaft nicht zu vergessen.

Weil man jedoch mit der realen Gesellschaft leben muß, sucht Owus auch den Kontakt zu den herrschenden Politikern. Mit Wirtschaftssenator Pieroth traf man sich und konnte so einen Zugang von Owus-Betrieben zum Wirtschaftsdienst des Senats vereinbaren. Geschäftsführer Malitzky verweist außerdem darauf, daß sein Verband vom brandenburgischen Wirtschaftsministerium zu einer Landtagsanhörung über Fragen des Subunternehmertums eingeladen wurde. Und auch zur Berliner SPD suche man Kontakt, aber die hätten „noch Berührungsängste“.

Müßten sie gar nicht, denn die Owus-Unternehmer, so der Maschinenbauingenieur und promovierte Philosoph Malitzky, könnten die marktwirtschaftlichen Gesetze „auch nicht aushebeln“. Darum steht die praktische Hilfe, quasi das Knüpfen der „linken Gewerbeseilschaft“, im Vordergrund. Vom internen Fahrzeugverleih bis zur Bildung von Bietergemeinschaften.

Weniger toll werden einige PDS-GenossInnen vielleicht finden, daß man auch eine Produktionsstätte für Versehrtenbekleidung in Tschechien sucht. Klingt das nicht nach Arbeitsplatzexport in ein Billiglohnland? Da wird Malitzky unwirsch: „Erstens wollen wir ja eine Kooperation mit den Tschechen, und zweitens müssen sich die Linken eins abschminken: Es ist eine Illusion, daß ein kleiner Ostbetrieb viele Lehrlinge einstellen sollte, dazu am besten noch einen Behinderten, und natürlich ohne Probleme alle hohen Kosten hier bezahlen kann.“

Die Angst vor Gängelung durch PDS-Dogmatiker scheint zumindest kein Problem. Seit der Owus- Gründung wuchs die Mitgliederzahl in Berlin/Brandenburg auf 150, wozu auch eine Handvoll Westberliner beiträgt. Insgesamt haben alle mittlerweile im Osten bestehenden Landesverbände 350 Mitglieder. Eines der erfolgreichsten ist der einstige Owus-Gründungsvater Helmut Markov. Der PDS-Wirtschaftsexperte und brandenburgische Landtagsabgeordnete ist Mitgeschäftsführer einer gutgehenden kleinen Elektronikfirma bei Berlin.

Womit Markov eigentlich ein Sponsorkandidat für die Eishockey-Eisbären wäre, die Owus gern unterstützen will. Schließlich hat man längst erkannt, daß in den VIP-Lounges die besten Geschäfts- und Beziehungsgeflechte geknüpft werden. Gunnar Leue