Kein Bruch mit der alten Logik

■ Der französische Ministerrat berät über die Reform der Migrationsgesetze. Kritikern gehen die Änderungen nicht weit genug

Paris (taz) – Frankreichs Justizministerin Elisabeth Guigou (PS) und Innenminister Jean-Pierre Chevènement von der sozialistennahen „Bürgerbewegung“ haben am Mittwoch ein neues Einwanderungsgesetz im Ministerrat vorgelegt. Damit sollen die nach den ehemaligen konservativen Innenministern Debré und Pasqua benannten Gesetze reformiert werden. Das neue Gesetz macht die „Integration zum Ziel“, ohne auf die Absicht zu verzichten, die „Wanderungsströme zu kontrollieren“. Einige besonders repressive Bestimmungen werden darin zurückgenommen, zahlreiche andere Schikanen, darunter der große Ermessensspielraum für die Präfekten – die Pariser Vertreter in der Provinz –, bleiben bestehen.

Unter anderem soll es künftig drei Kategorien von jeweils für ein Jahr ausgestellten Aufenthaltsgenehmigungen geben: eine für Wissenschaftler und andere begehrenswerte Ausländer, eine für Familienmitglieder von bereits in Frankreich lebenden Ausländern und eine dritte für Rentner, damit die sich frei zwischen ihrem Herkunftsland und Frankreich bewegen können.

Die Abschiebehaft soll auf zwölf Tage verlängert werden. Die von den Bürgermeistern ausgestellten Beherbergungszertifikate sollen ebenso beibehalten werden wie die „doppelte Bestrafung“, wonach straffällig gewordene Ausländer nach Absitzen ihrer Haftstrafe in Frankreich auch noch abgeschoben werden können. Eine Erweiterung des Rechtes stellen das künftige „konstitutionelle“ und das „territoriale Asyl“ dar, die vom Innenministerium – und in der Regel befristet – ausgestellt werden sollen und im Hinblick auf zahlreiche algerische Flüchtlinge vorgestellt wurden. Erstmals erkennen sie die Verfolgung durch oppositionelle Gruppen als Asylgrund an.

Eine Verbesserung ist auch die partielle Rückkehr zum „Bodenrecht“ in dem geplanten neuen Einwanderungsgesetz. Danach sollen in Frankreich geborene Kinder wieder die französische Staatsangehörigkeit bekommen, wie das auch in der französischen Rechtstradition bis zur Pasqua-Reform üblich war. Allerdings nicht automatisch, sondern auf Antrag der Jugendlichen.

Die linken Kritiker der Migrationsgesetze haben bereits über 2.000 Unterschriften gesammelt. Sie werfen der Regierung vor, keinen radikalen Schlußstrich unter die Pasqua- und Debré-Logik gezogen zu haben. Weiterhin würden Ausländer per se mit Kriminalität und Drogen assoziiert.

Im Gegensatz zu der Massenbewegung vom Februar dieses Jahres, als Hunderttausende gegen die damalige konservative Ausländerpolitik auf die Straße gingen, haben jetzt auch – ebenfalls linke – Petitionäre die Projekte der Regierung begrüßt. Im Hinblick auf die Stärke der rechtsextremen Front National halten sie es für einen „Fehler und demagogisch“, weitergehen zu wollen. Von konservativer Seite eröffnete Staatspräsident Jacques Chirac, der eigentlich über den parteilichen Dingen stehen müßte, die Kritik an den „laxen“ Gesetzen. Für die „Papierlosen“, die Einwanderer ohne Aufenthaltsberechtigung, schnappt unterdessen eine Falle zu. Seit Juni sind über 120.000 von ihnen der Aufforderung der rot- rosa-grünen Regierung gefolgt und haben sich den Behörden zu erkennen gegeben, um ihren Aufenthalt in Frankreich zu regularisieren. Bislang sind lediglich 5.000 Anträge bewilligt worden.

Viel mehr als eine Verdoppelung dieser Zahl erwartet Innenminister Jean-Pierre Chevènement bis zum Fristablauf am 31. Oktober auch nicht. Einige der Abgelehnten haben schon jetzt die „Einladung zum Verlassen des Territoriums“ bekommen, wie es in der Amtssprache heißt. Zehntausende werden folgen.

Premierminister Lionel Jospin, auf den die „Papierlosen“ noch vor wenigen Monaten große Hoffnungen gerichtet hatten, erklärte Anfang dieser Woche kategorisch: „Es ist illusorisch, allen Papiere zu geben. Das wäre eine Ermunterung für die illegale Einwanderung.“ Dorothea Hahn