Untrendy: ErzieherInnen

■ betr.: „Auch ein schöner Beruf“, taz vom 5.11. 97

[...] Die Öffnungszeiten einer Kindertagesstätte werden mit dem Kostenträger, das ist meistens das zuständige Jugendamt, ausgehandelt, und daran werden die pädagogischen Betreuungsstunden bemessen. Hieraus leiten sich dann die Arbeitsverträge mit den ErzieherInnen ab. Die Autorin des Artikels macht es den angestellten ErzieherInnen „ihres“ Kinderladens zum Vorwurf, daß sie nicht über ihre eigentliche Arbeitszeit hinaus arbeiten. Anstatt unreflektiert einen ganzen Berufsstand zu diffamieren, sollte sie im Kinderladen die Öffnungszeiten neu diskutieren und gegebenenfalls mit dem zuständigen Jugendamt längere Öffnungszeiten verabreden, was dann auch mit höheren Kosten verbunden ist. Wenn sie dann an der starren Haltung der Behörden scheitert – und das wird sie mit Sicherheit, denn im sozialen Bereich werden Leistungen nur noch rigide gekürzt – dann hätte sie das richtige Opfer für ihre vernichtende Kritik gefunden.

Statt dessen werden ErzieherInnen als arbeitsscheu, pädagogisch inkompetent und diktatorisch diffamiert, sie werden für die miese Sozialpolitik in diesem Land verantwortlich gemacht. Die angeblich optimalen Arbeitsbedingungen von ErzieherInnen, sogar noch besser als die von Kellnern, die ja bekanntlich zu den wirklich Privilegierten gehören, werden verzerrt dargestellt, um Neid zu erwecken.

Ich werde der Autorin nicht anbieten, in dem Kinderhaus, das ich leite, einmal acht Stunden mit 20 Kindern zu verbringen. Vielleicht werden das sogar, wie so oft, auch neun Stunden, weil mal wieder das rechtzeitige Abholen nicht geklappt hat. Ich würde einer derartig reaktionär denkenden Frau nicht ein Kind auch nur für zehn Minuten anvertrauen. Ich könnte es einfach nicht verantworten, daß auch nur ein Funken solcher Denkweise auf Kinder übergreift.

[...] Über die ständigen Verschlechterungen im Bereich der Kindertagesbetreuung durch staatliche Zwangsmaßnahmen schweigt sich die taz leider aus. Thomas Querfurth, Hamburg