Schluckt Siemens großen Konkurrenten?

Konzern will angeblich den nichtnuklearen Kraftwerksbau von seinem US-Wettbewerber Westinghouse übernehmen. Damit würde die Siemens-KWU ihr weltweites Kraftwerksgeschäft mehr als verdoppeln  ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Westinghouse Electric will sein Kraftwerksgeschäft an Siemens verkaufen, bereits heute könnte das Geschäft offiziell verkündet werden. Der Kaufpreis liegt bei etwa 1,6 Milliarden Dollar. Das berichtet die Tageszeitung Pittsburgh Tribune-Review mit Verweis auf interne Quellen bei Westinghouse. Auf Nachfrage gab der Münchener Siemens- Konzernsprecher „keinen Kommentar“, wollte die Berichte aber auch nicht dementieren. Ein Sprecher von Westinghouse erklärte ebenfalls, „Marktspekulationen nicht zu kommentieren“.

Der Zeitung aus Pittsburgh zufolge, wo Westinghouse einen Teil seiner Anlagen fertigt, geht es beim Verkauf um den gesamten Kraftwerksbereich, von Dampfturbinenen für Kohlekraftwerke, Gasturbinen bis hin zu schlüsselfertigen Kraftwerken. In diesem Marktsegment hat Westinghouse einen Weltanteil von rund 17 Prozent. Ausgenommen von dem Verkauf sollen Atommeiler sein, wo Westinghouse ebenfalls einer der weltgrößten Hersteller ist.

Siemens hält im nichtnuklearen Kraftwerksbau einen Marktanteil von rund elf Prozent, ungefähr gleichauf mit dem schwedisch- schweizerischen Multi ABB. Unangefochtener Marktführer aber ist der US-Riese General Electric, der nach seinem Aktienwert der teuerste Konzern der Welt ist. Siemens machte im vergangenen Jahr mit Kraftwerken (Siemens-Kraftwerksunion KWU) einen Umsatz von acht Milliarden Mark. Dabei übernimmt die KWU inzwischen alle Aufgaben beim Kraftwerksbau, von Stromnetz-Studien über schlüsselfertige Anlagen bis hin zu Betrieb und Wartung.

Bereits seit Januar kursieren Gerüchte über Verhandlungen zwischen Westinghouse und Siemens. Als Westinghouse vor einem Monat ankündigte, 1.300 Jobs in seinem Kraftwerkssektor abzubauen, galt das bei Beobachtern als Beleg für die Verkaufsabsicht.

Westinghouse konzentriert sich schon seit längerer Zeit auf seine Mediengeschäfte unter dem Dach von CBS, die auch einen der drei großen US-Fernsehsender besitzt. So will Westinghouse das Geld aus dem Verkauf des gewinnbringenden Transport-Kühl-Geschäfts Thermo King nicht in seine industriellen Geschäfte stecken, sondern in CBS.

Siemens könnte von einer Übernahme des Westinghouse- Kraftwerksbaus auch deshalb profitieren, weil in diesem Markt der Aufwand an Kapital und Know- how stetig wächst. So treten Siemens und seine Konkurrenten immer öfter auch als Investoren auf, die nach Anfrage ein Kraftwerk selbst finanzieren und den Strom liefern. Vor allem Versorger in Entwicklungsländern bevorzugen aus Kapitalmangel dieses Modell, nach dem weltweit bereits ein Drittel aller neuen Kraftwerke entstehen. Dabei hat in den vergangenen Jahren der Bau von neuen Atommeilern stark an Bedeutung verloren – vor allem gegenüber modernen Gasanlagen mit Abwärmenutzung, sogenannten GuD-Kraftwerken.