„Wir brauchen die Modernisierung“

■ Fathallah Oualalou, Fraktionschef der Union der Sozialistischen Volkskräfte (USFP), über saubere Wahlen und den möglichen Machtwechsel

taz: Der Vorsitzende Ihrer Partei, Abderrahmane Youssoufi, antwortete den Gegnern einer Teilnahme an den Wahlen immer wieder: „Wir haben das Wort des Königs.“ Reicht das, um auf einen Wechsel zu vertrauen und von einer möglichen Regierungsbeteiligung zu reden?

Fathallah Oualalou: Marokko ist von jeher ein pluralistisches Land, mit verschiedenen Parteien. Allerdings hatte das marokkanische System bisher einen entscheidenden Makel: Es gab keine Möglichkeit, die Regierung abzuwählen. Wer die Regierung stellte, wurde von König Hassan II. entschieden, und dieser stützte sich immer auf dieselben Kräfte. Bei diesen Wahlen soll über die künftige Regierung erstmals an den Urnen entschieden werden. Daß wir heute an diesem Punkt sind, liegt nicht zuletzt an König Hassan II., der seine ganze Macht und Überzeugungskraft eingesetzt hat, um die Verwaltung und die Parteien, die bisher an der Macht waren, aber auch die Opposition davon zu überzeugen, daß ein solcher Weg gangbar und notwendig ist. Die Regierung und alle Parteien verabschiedeten eine gemeinsame Erklärung, in der sie ihren Willen bekunden, saubere Wahlen durchzuführen.

Die ersten Wahlen dieser neuen Ära, die Kommunalwahlen vom vergangenen Juni, waren trotzdem alles andere als sauber. Was passiert, falls sich das wiederholt?

Dann müßten wir einsehen, daß wir keinen Schritt vorangekommen sind, und würden uns nicht an einer Regierung beteiligen.

Ist das Oppositionsbündnis Koutla mit ihrer ideologischen Vielfalt lebensfähig, oder handelt es sich nur um ein Zweckbündnis?

Die aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Diskussion in Marokko kennt kein Links- Rechts-Schema. Koutla ist der Zusammenschluß all derer, die eine Stärkung der Demokratie wollen. Natürlich haben wir auch Meinungsverschiedenheiten. Aber die Frage nach mehr Demokratie steht eindeutig im Vordergrund.

Was heißt das für die Politik der Liberalisierung und Privatisierung der letzten Jahre, die die angespannte soziale Situation Marokkos weiter verschärft hat?

Falls wir die Wahlen gewinnen, werden wir ganz pragmatisch an die Regierungsaufgaben herangehen. Der Staat wird in unserer Politik eine wichtigere Rolle spielen, als dies in den letzten Jahren der Fall war. Allerdings werden wir die Privatisierungen weder stoppen noch rückgängig machen. Es ist wichtig, den privaten Sektor zu stärken. Wir wollen die Zusammenarbeit mit der EU ausbauen, um den europäischen Markt weiter für unsere Produkte aus der Landwirtschaft und der Textilindustrie zu öffnen. Außerdem wollen wir mit der EU die Auslandsschulden neu verhandeln, um die Zinslast zu reduzieren.

Wenn ein Machtwechsel zu keiner Verbesserung der Situation breiter Teile der Bevölkerung führt, könnte dies den Islamisten neuen Zulauf bescheren...

Der einzige Weg, um ein Erstarken des Islamismus zu verhindern, ist der Ausbau der Demokratie und die damit verbundene wirtschaftliche, politische und kulturelle Modernisierung. Ob dies gelingt, hängt nicht zuletzt auch von der Haltung Europas ab. Mehr Demokratie unsererseits ist eine wichtige Grundlage für eine bessere Zusammenarbeit mit der EU.