Ein teurer Schlag ins Wasser

Der Verkauf der Wasserbetriebe würde dem Land möglicherweise Verluste in Millionenhöhe bescheren. „Nach uns die Sintflut“, kommentieren die Grünen. SPD-Landesparteitag will über die Veräußerung entscheiden  ■ Von Hannes Koch

Sechs Milliarden Mark will der Senat im kommenden Jahr durch den Verkauf von öffentlichem Vermögen hereinholen, um Löcher im Landeshaushalt zu stopfen. Nachdem der Energieversorger Bewag vor kurzem unter den Hammer kam, stehen als nächste die Gasag und die Berliner Wasserbetriebe (BWB) zum Verkauf. Gerade bei der Privatisierung des größten bundesdeutschen Wasserversorgers jedoch könnte das Gegenteil dessen eintreten, was Finanzsenatorin Annette Fugmann- Heesing (SPD) plant: größere statt kleinere Haushaltslöcher.

Der entscheidende Punkt: Der Verkauf von Anteilen der Wasserbetriebe reduziert auch die Einnahmen, die dem Land jährlich aus dem Unternehmen zufließen. Würden die BWB, wie etwa Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) vorschlägt, von der heutigen „Anstalt Öffentlichen Rechts“ in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und dann zu rund 75 Prozent veräußert, erhielte das Land nur noch 25 Prozent der gegenwärtigen Überweisungen. Statt 182 Millionen Mark Eigenkapitalverzinsung der BWB, die Pieroth schon als Einnahmen für 1998 vermerkt hat, könnte er nach dem Verkauf nur mit 45,5 Millionen rechnen – ein Verlust von 136,5 Millionen Mark jährlich.

Wie sieht demgegenüber der mögliche Verkaufserlös aus? Unterstellt, die Privatisierung der Aktienmehrheit würde dem Land einmalige Einnahmen von rund zwei Milliarden Mark bringen, könnte der Senat alte Kredite zurückzahlen und die Aufnahme neuer vermeiden. Damit ist eine deutliche Zinsersparnis verbunden, die sich in diesem Falle auf rund 100 Millionen Mark belaufen dürfte. Vergleicht man nun Einnahmeverluste und Zinsersparnis, ergibt sich ein Verlust von 36,5 Millionen Mark im Haushalt für alle folgenden Jahre.

Der Verkauf der Wasserbetriebe wäre in betriebswirtschaftlicher Hinsicht für das Land ein teurer Schlag ins Wasser. Einmalig könnten die LandesbuchhalterInnen zwar zwei zusätzliche Milliarden notieren, für die nächsten Jahre stünden die Zeichen aber auf Katzenjammer. „Nach uns die Sintflut“, kommentiert Vollrad Kuhn, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen.

Daß sich die Privatisierung des profitablen Unternehmens (angepeilter Gewinn 1997: 118 Millionen Mark) als finanzpolitisches Harakiri erweisen könnte, weiß man auch in der Regierungskoalition. Ohne sich zu den Zahlen konkret zu äußern, meint SPD-Wirtschaftssprecher Hermann Borghorst: „Ein Teil der Eigenkapitalverzinsung der BWB wäre weg. Aber wo sollen wir die sechs Milliarden Mark herkriegen?“

Bei ihren Diskussionsvorschlägen für den Landesparteitag der SPD war die Antragskomission deshalb weniger forsch als Elmar Pieroth. Maximal 49 Prozent der Wasserbetriebe sollen als Aktien an die Börse gebracht oder an die Belegschaft verkauft werden, lautet ein Vorschlag. Die Schere zwischen Einnahmeverlusten und Zinsersparnis könnte sich dadurch deutlich verringern. Eine nennenswerte, langfristige Entlastung des Landeshaushalts freilich wäre auch dabei kaum zu verzeichnen.

Mit ihrem Vorschlag wollen sich die Sozialdemokraten zugleich gegenüber der Gewerkschaft absichern. In dem zur Debatte gestellten Holdingmodell sollen die Wasserbetriebe ihre gegenwärtige Rechtsform beibehalten, was die soziale Sicherung der Beschäftigten garantiert und damit die zentralen Forderung der mächtigen Gewerkschaft ÖTV erfüllt. Käufer sollen sich nur mittelbar, über eine vorgeschaltete Holding, an den BWB beteiligen können, was den privaten Einfluß herabsetzt.

Ein weiterer Alternativvorschlag der SPD verzichtet gänzlich auf den Verkauf an private Eigentümer und setzt eher darauf, die Kuh zu melken, anstatt sie zu schlachten. Die Einnahmen aus der Wasserversorgung will man noch dadurch erhöhen, daß die BWB zur Zahlung einer Konzessionsabgabe für die Benutzung städtischer Erde verdonnert wird.

Auch die Bündnisgrünen wollen die Wasserbetriebe komplett in staatlicher Hand behalten, damit das Land an späteren Gewinnen aus neuen Märkten wie der Telekommunikation teilhaben kann. Um das klaffende Loch im Landeshaushalt trotzdem zu verringern, schlagen sie vor, die Konzessionsabgabe der BWB für die nächsten Jahre in einer Summe einzuziehen. Um die Überweisung in Milliardenhöhe zu finanzieren, müßten die Wasserbetriebe allerdings Kapital bei Banken aufnehmem. Kuhn kennt die Konsequenz dieser Art von Fremdfinanzierung: „Möglicherweise steigen dann die Wasserpreise und mehr Arbeitsplätze werden abgebaut.“