Landowsky flieht in die Visionen

■ Zustand der Koalition stand im Mittelpunkt der Haushaltsdebatte

Die Koalition ist aus sich selbst heraus nicht mehr zu legitimieren. Niemand hat das gestern bei der abschließenden Generaldebatte zum Haushalt 1998 klarer zwischen den Zeilen verpackt als Klaus-Rüdiger Landowsky. Der Fraktionschef der CDU befaßte sich nicht mit den Niederungen der Finanzen – wie es die SPD seiner Meinung zufolge tut –, sondern beschwor metropolitane Visionen. Und die seien, so Landowsky, eigentlich die großen Aufgaben für große Koalitionen. „Auf jeden Fall sind das Aufgaben für uns, für die CDU.“ Während Landowsky die an Kultur und Geist reiche Weltstadt verkündete, demonstrierten vor dem Preußischen Landtag StudentInnen und SchülerInnen gegen den Bildungsabbau.

Die personifizierte Machtzentrale der Christdemokraten mußte ein doppeltes Dilemma lösen. Den Haushalt zu begründen, ohne dem Koalitionspartner SPD und seiner Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing den Triumph für einen gelungenen Etat zuzugestehen. Und die innerparteiliche Stimmung, die nach den jüngsten Debatten um den Parteivorsitzenden Eberhard Diepgen deutlich schief hängt, zu retten, ohne der Koalition abzuschwören. Landowsky meisterte seine Aufgabe mit Bravour – nur mit der Haushaltslage hatte seine Rede wenig zu tun.

Er richtete den Blick auf den baldigen Regierungsumzug. „Manches, was uns heute noch wie der Nabel der Welt vorkommt, wird dann ein kommunalpolitisches Thema sein.“ So beschwor der Fraktionschef seine „Weltstadt“: „Groß angelegt, nicht kleinkarriert.“ In diese Weltstadtvision, die sich nicht in Finanzpolitik erschöpfen dürfe, schloß Landowsky auch den Regierenden Bürgermeister mit ein, der „sich eingesetzt habe wie kein anderer“. Der folgende, langanhaltende Beifall für Diepgen glich einer Abbitte für den Ärger der vergangenen Wochen. Und als Landowsky dann auch noch harte Worte zur Abschiebung krimineller Ausländer und zur Inneren Sicherheit fand, hatte er seine Fraktion im Griff.

Eisiges Schweigen dagegen von der SPD-Fraktion. Und später redete Fraktionschef Klaus Böger Klartext. „Für die Wohltaten und Visionen ist die CDU zuständig, für die Sparmaßnahmen die SPD- Finanzsenatorin“, interpretierte er seinen Vorredner. „Das ist keine Grundlage für eine Koalition.“

Daß die Koalition am Ende sei, befanden erneut auch die RednerInnen der Opposition. Die bündnisgrüne Haushälterin Michaele Schreyer warf Landowsky Heuchelei vor. „Das ist keine mentale Depression, sondern das Resultat ihrer Politik“, zog sie mit dem Hinweis auf die miserable Bilanz des Senats angesicht der steigenden Arbeitslosenzahlen und der Wirtschaftslage den CDU-Fraktionschef in die Realität zurück. Das größte Problem der Stadt sei inzwischen die Große Koalition. Der Meinung war auch ihr Kollege von der PDS. Harald Wolf sagte: „Manchmal fragt man sich mittlerweile, wo man ist: auf einer Veranstaltung des Senats oder auf einer Pressekonferenz von Tic Tac Toe.“ Die Debatte dauerte bei Redaktionsschluß an. Barbara Junge