Zwischen den Rillen
: Dauer macht lustig

■ Blicke in die Werkstatt des Rock in rocklosen Zeiten: Metallica und Guitar Wolf

Metallicas mittlerweile schon 17 Jahre dauernder Werdegang läßt sich mit einer kurzen Formel wiedergeben: schlau, schlauer, am schlauesten. Das galt früher wegen ihrer musikalischen Neuerungen, das gilt heute wegen ihrer Unbeirrbarkeit in fast rocklosen Zeiten. Metallica waren einst eine der wenigen Metalbands, die es verstanden, diesem zumeist recht eintönigen Musikgenre neues Leben einzuhauchen und in Richtung Trash und Speed auszudifferenzieren – selbst von Jazzstrukturen war im Zusammenhang mit ihrem Sound die Rede. Und mit dem sogenannten schwarzen Album erreichten sie dann 1991 millionenfach Leute, die nicht im Traum daran gedacht hatten, sich jemals ein Album einer Metalband zu kaufen: Indierocker, Punkrocker, Aktentaschenträger, Stones- und REM-Fans, sie alle tanzten plötzlich zusammen mit Hardrockern und Metalfans zu „Enter The Sandman“, und schnurstracks wechselten Metallica per Heavy Rotation von „Headbanger's Ball“ (der ehemaligen Metalspartensendung auf MTV) in die Rubrik Monsters Of Rock.

Während aber ihre einstigen Weggefährten mittlerweile fast durchweg das Zeitliche gesegnet haben, während Rockmusik mainstreammäßig anscheinend nur noch von Oasis, Rammstein und natürlich den Rolling Stones produziert wird und der Rest der Musikwelt sich zunehmend und erfolgreich digitalisiert, da machen Metallica mit ihrem neuen Album „Reload“ einfach dort weiter, wo sie 1991 und 1996 aufgehört haben.

„Reload“, nachgeladen, und zwar in Form einer Resteverwertung des letztjährigen Albums „Load“, das eigentlich auch nicht mehr als ein Aufguß vom schwarzen Album war, die alten und neuen Fans aber wegen der marktstrategisch günstigen fünfjährigen Schaffenspause und einem outfit-technischem Imagewechsel erneut in Entzückung geraten ließ.

Auf „Reload“ nun sind dreizehn neue Songs, die alle schon bei den Aufnahmen zu „Load“ entstanden, dort aber nicht mehr draufpaßten oder eben nicht gut genug, vielleicht gar zu experimentell waren – gern würde man genau das heraushören, etwas Unfertiges, Loses und Spinnertes hören, Ideen verfolgen, die nicht zu Ende gedacht wurden. Doch Metallica sind Perfektionisten, die wissen, was sich gehört, antikommerzielle Befreiungsschläge wie Nirvanas „In Utero“ könnten sie sich zwar locker leisten, auch den Blick in den Skizzenblock, in die Metallica-Werkstatt – wollen sie aber nicht. Weswegen sie auch von Zweitverwertung, Raritätenkabinett oder B-Album nichts wissen wollen und noch einmal ins Studio gegangen sind, um die Songs auf Metalrock-Hochglanz zu polieren.

Und daß heißt: straighte Metal-Gitarren-Breitseiten im Wechsel mit zähen Kriechspuren, auf denen dann und wann heftige und befreiende Entladungen stattfinden; und dann wieder die Halbballaden und Balladen, die auch den hartgesottensten Metal- Fan zum Taschentuch, zwecks Tränenwischen, greifen lassen. Das Album bietet das von einer Band dieser Größenordnung Erwartete: Metallica verwalten ihr eigenes Erbe und das ihrer erschöpften Grungerockkollegen und bedienen die Sehnsüchte ratloser Rock- und Metalfans nach ehrlicher und handgemachter Musikschaffe. Der Lohn dafür: „Reload“ steht seit Erscheinen vor zwei Wochen auf Platz eins deutscher Verkaufscharts (und wahrscheinlich nicht nur dort). Daß sie mit „The Memory Remains“ einen Song über die Vergänglichkeit im Rockbusiness gemacht haben, zeugt da mehr von Selbstbewußtsein, als daß sich hier eine Band auf eine traurige Zeit nach der großen Sause einstellen möchte – zumal fieserweise ausgerechnet Marianne Faithful dazu auserkoren wurde, in diesem Song im Background zu singen und die richtige Atmosphäre herzustellen.

Während Metallica hartnäckig ihr Superknown-Ding durchziehen, erfreut man sich – zumeist natürlich noch im Underground – insbesondere in den Staaten und in Japan gerade an einer japanischen Band mit dem sinnstiftenden Namen Guitar Wolf. Punk ist tot, es lebe Rock'n'Roll, Rock ist tot, es lebe Punk, es lebe die Garage, es lebe der Trash. Auf diesen Nenner können sich diese drei Motorcycle-Lederjungs sicher ohne Probleme einigen, sie tun es für die Kids: wollen keine Teenager-Revolten anzetteln, sondern Teenager-Langeweile bekämpfen. Guitar Wolf zeichnet der Wille zum grenzenlosen Spaß und zum originären Style aus, und diesen Willen setzen sie ohne großartige ironische Brechung oder wahnwitzige Übertreibungen (wie das oft bei finnischen oder schwedischen Bands der Fall ist) auch musikalisch um. Lederklamotten an, Sonnenbrille auf, Haare zurückpomadisiert, Ramones kopiert und bewundert, die Oblivians auch, und die Gitarren eingestöpselt: „In my head there is a hurricane“, schreien sie, „balls of fire are burning in my body, my food is rock'n'roll.“

Allein mittels eines Vierspurgeräts aufgenommen, finden sich auf „Planet of The Wolves“ in vierzehn Zwei-Minuten-Häppchen alle Wahrheiten dieser Welt. Eins, zwei, drei, vier. Ich fliege und reite durch die Nacht. Ich kann keine Befriedigung bekommen – geht trotzdem alles gut ab. Wie einfach doch alles sein kann! Und wie erfrischend! Gerrit Bartels

Metallica: „Reload“ (Mercury)

Guitar Wolf: „Planet Of The Wolves“ (Matador/RTD)