■ Koalition und SPD einigen sich bei der Rente, nicht bei den Steuern: Die FDP blockiert
Das Gefeilsche um die Ausgestaltung der Steuer-, Renten-, Post-, 610-Mark-Jobs-Reform erinnert an einen Basar. Doch der Vergleich hinkt. Bei einem Markthändel, hat der eine etwas zu geben, was der andere gerne haben möchte. In der Politik sollte es statt dessen um die gemeinsame Verantwortung gehen, die Arbeitslosigkeit so gut wie nur möglich zu bekämpfen. Der Händler im Basar kann sagen, scher dich zum Teufel, dann behalt ich meine Vase. Regierung und Opposition können dagegen nicht erklären: Dann bleibt es eben bei der Arbeitslosigkeit.
Sie sagen es zwar nicht offen, aber sie denken es. In dankenswerter Klarheit hat der Verhandlungsführer im Vermittlungsausschuß, Heribert Blens (CDU), erklärt, daß die Verhandlungen nichts mit Inhalten zu tun haben. Es geht lediglich darum, das Gesicht zu wahren. Zwar wurde jetzt ein Minimalkonsens gefunden, aber damit ist nicht viel mehr gewonnen, als der Öffentlichkeit Handlungsfähigkeit vorzugaukeln. Daß die Rentenbeiträge nun doch nicht auf 21 Prozent steigen, ist lediglich dringendste Schadensbegrenzung, die überdies durch eine Mehrwertsteuerhöhung teuer erkauft ist. Wie es wirklich um die Reformfähigkeit von Koalition und Opposition aussieht, zeigt sich bei dem Streit um 610-Mark-Jobs und Steuerreform. CDU und SPD, die etwa drei Viertel des Volkes repräsentieren, sind sich einig, die 610-Mark-Jobs einzuschränken. Dennoch bleibt mit Rücksicht auf die Fünfprozentpartei FDP alles beim alten. Die Liberalen dürfen sich als Gewinner der Showveranstaltung fühlen. Soli-Senkung herbeigeführt, Status quo bei den 610-Mark-Jobs erhalten – mindestens fünf Prozent der Bevölkerung werden das goutieren. Und mehr brauchen es nach Rechnung der FDP ja nicht zu sein.
Stillstand auch bei der Steuerreform, obwohl das Einigungspotential fast genug für eine Mini-Jahrhundertreform hergibt. Nach dem jüngsten Angebot der SPD könnten sich die Koalition und SPD immerhin darauf einigen, den gesamten Steuertarif um mindestens vier Prozentpunkte zu senken. Übereinstimmung auch darin, Steuerschlupflöcher in Höhe von sage und schreibe 25 Milliarden Mark zu schließen. Aber eine Einigung ist offenbar zu riskant. Zu schwer ist zu übersehen, wer davon in der Wählergunst am meisten profitieren würde? Leichter finden es die Parteien offenbar, sich gegenseitig die Schwarze-Peter- Rolle zuzuschieben. Markus Franz
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