"Ihr lügt euch in die leere Tasche"

■ Auswärtige Gäste diskutieren bündnisgrünen Leitantrag zur Hochschulpolitik. BerlinerInnen zeigen sich als konservative Bewahrer und Auswärtige als fortschrittliche Umstürzler. Marlis Dürkop übt sich im

Es ist alles eine Frage der Perspektive. Vom Moderator aus gesehen saß der bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Matthias Berninger rechts außen, die Hamburger Staatsrätin Marlis Dürkop rechts, die GEW-Landesvorsitzende Brigitte Reich links und Holger Munderloh als Sprecher des bündnisgrünen Hochschulbereichs links außen. Aus der Sicht des Publikums sah es freilich ganz anders aus. Mit Fortschreiten der Diskussion erschienen die BerlinerInnen immer mehr als konservative Bewahrer und die Auswärtigen als fortschrittliche Umstürzler.

Bis vor anderthalb Jahren als Präsidentin der Humboldt-Uni noch selbst ins Berliner Wissenschaftsmilieu verstrickt, übte sich Dürkop jetzt im distanzierten Blick von außen. „Hamburg ist mit der Verwaltungsreform schon fünf Jahre weiter“, stellte sie bereits nach zwei Wochen in Krista Sagers Wissenschaftsbehörde fest. Vor allem die drei Uni-Kliniken brandmarkte sie als ein Relikt der „Westberliner Verschwendung“. Wenig Verständnis hatte Dürkop auch für die Forderung, „der Staat“ solle „Bildung für alle“ finanzieren. „Der Staat sind wir alle“, sagte sie, „Ihr lügt euch in die eigene leere Tasche.“

Einstimmen mochte sie auch nicht in das Hohelied, das der Leitantrag auf die Kuratorien als „Rückkoppelung zwischen gesellschaftlichen Gruppen, Staat und Hochschule“ singt. „Was hat der Dialog mit den gesellschaftlichen Gruppen denn gebracht?“ fragte sie und lieferte die Antwort gleich mit: „Nix.“ Daß der jetzige Humboldt-Präsident die „Entpolitisierung“ der Gremien vorantreibe, sei deshalb der „bessere Weg“. Doch daß die Erprobungsklausel des Berliner Hochschulgesetzes zum Erfolg führe, bezweifelte sie.

Matthias Berninger kam auch als weniger intimer Kenner der Berliner Verhältnisse zu ähnlichen Schlüssen. Uni-Gremien als „Abbild der Verbände- und Parteiendemokratie“ geißelte auch er. Zugleich wandte er sich aber gegen den Ruf nach „Fachleuten“ aus der Wirtschaft. Der Versuch mit einem „aufsichtsratsähnlichen Gremium“ an der Uni Basel habe nur zu einer „babylonischen Sprachverwirrung“ geführt, weil Unternehmensstrukturen nicht auf Hochschulen übertragbar seien.

Eine Uni-Reform macht aber aus Berningers Sicht wenig Sinn, wenn sie nicht mit einer Reform der Ausbildungsförderung einhergeht. Womit er elegant zu seinem Steckenpferd „Baff“ überleitete, einem Fonds, der sich aus einer nachträglichen Akademikersteuer speisen soll. Nur so ließen sich die „Chancen und Lasten zwischen den Generationen“ gerecht verteilen. Nicht nur zwischen den Generationen, auch zwischen den Bundesländern seien die Lasten ungleich verteilt. So lasse sich Berlin die Ausbildung auswärtiger StudentInnen jedes Jahr rund 800 Millionen Mark kosten, während Niedersachsen nicht genug Studienplätze für die Landeskinder bereitstelle. Wenig überzeugend fand Berninger hingegen die „wohlfeile Forderung“ des Berliner Leitantrags, Berlin solle wieder 115.000 Studienplätze bereitstellen.

Dürkop bat ihre Berliner ParteifreundInnen schließlich, die Überschrift ihres Papiers zu ändern. Die „Geisterbeschwörung“, daß Berlin sich stets selbst als „Hauptstadt des Geistes“ tituliere, trage „peinliche Züge“. Ralph Bollmann