Eine Schüssel voll Bildung

■ Der Bildungskanal des Bayrischen Rundfunks will Wissen mehren und Fähigkeiten erweitern. Wer zuschauen will, muß allerdings erst einmal seinen Haushalt aufrüsten

München (taz) – „Die Technik wird immer schnellebiger, die Wissensmehrung verändert exponentiell in immer kürzeren Abständen unsere Gesellschaft und unsere Arbeitswelt. Gleichzeitig wächst die Sockelarbeitslosigkeit.“

Soweit der Fernsehdirektor des Bayrischen Rundfunks, Gerhard Fuchs. Aber bringt er da nicht etwas durcheinander? War es nicht die Wissensmehrung, die immer schnellebiger wird – in immer kürzeren Abständen? Oder ändert die kürzere Arbeitswelt immer exponentieller unsere Gesellschaft – und immer mehr Sockel sind dabei arbeitslos?

Irgend etwas wird Fuchs schon gemeint haben, und weil „Bildung“, wie Bundespräsident Roman Herzog formuliert hat, „das ,Mega-Thema‘ unserer Gesellschaft werden muß“, wagen wir mal folgende Deutung: Bin ich doch alt wie eine Kuh, ich lerne immer noch dazu. Geschenkt wird einem nichts in der heutigen Zeit, möchte man gleich noch eine herrliche Phrase hinterherschicken, aber da belehrt uns der Bayrische Rundfunk eines Besseren.

Seit dem 7. Januar verbreitet er über Astra 1B den neuen Bildungskanal „BR alpha“ (ältere Receiver-Frequenz 1685.50, neuere Receiver-Frequenz 1935.50), der, kombiniert mit dem Internetangebot www.br.-alpha.de, „die Berufskompetenz verbessern soll und helfen, die individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erweitern“. Zur Vermittlung des Wissens bedient sich BR alpha laut Pressemitteilung des lernpsychologischen Wechselmusters zwischen „Anspannung“ und „Entspannung“.

Was lernt also der bildungswütige Arbeitslose? „Der BR will mir helfen, mich zu qualifizieren“ (Entspannung); „Mist, ich brauche dafür eine Satellitenschüssel“ (Anspannung); „Verflixt, ich brauche auch noch einen Internetanschluß, um das Angebot komplett nutzen zu können“ (noch mehr Anspannung); „Durch die Investition in diese Geräte schaffe ich langfristig mehr Arbeitsplätze (wohlige Entspannung).

Immerhin 27 Millionen Menschen in 11 Millionen Haushalten erreicht das neue Programm bereits über Satellit, und die können zum Beispiel von Montag bis Freitag im „alpha Forum“ zur Primetime „ein anspruchsvolles und substantielles Gespräch mit prominenten Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft, Religion, Wirtschaft und anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens“ verfolgen.

Vielleicht ist dort auch einmal Jürgen Doetz zu Gast, seines Zeichens Präsident des Verbandes Privater Rundfunk- und Telekommunikation (VPRT), und diskutiert mit Fuchs über Sinn und Zweck von BR alpha. Der VPRT sieht in der BR-Bildungsexpansion wieder einmal nichts anderes als einen Angriff der Öffentlich-Rechtlichen auf die Privatsender: „Zunächst werden die Bildungsinhalte der öffentlich- rechtlichen Programme entweder ganz eliminiert oder in die Nachtstunden verschoben, um quotenträchtigen Programmformaten als direkte Konkurrenz zu den privaten Angeboten Platz zu machen.“

Anschließend werde unter Hinweis auf die fundamentale demokratiepolitische Bedeutung eines Bildungsprogrammes die Schaffung eines weiteren Spartenprogrammes gerechtfertigt. Doetz befürchtet in der Folge eine „weitere Mainstream-Orientierung der gebührenfinanzierten Hauptprogramme und damit eine zunehmende Konvergenz und Konkurrenz dieser Programme mit den privaten Angeboten“.

Wird die Bildung also ins Privilegierten-Ghetto der Satelliten- und Internetnutzer gedrängt? Ganz soweit ist es noch nicht. Fuchs: „Das Bayerische Fernsehen ist und bleibt ein Vollprogramm. Dazu gehören alle Programmsparten, selbstverständlich auch die Bildung.“ Soll heißen: Das zopfige Telekolleg mit Siebzigerjahre-Physiklehrern in Strickpullis bleibt uns also erhalten. Große Entspannung. Stefan Kuzmany