■ Contra: Die Bündnisgrünen müssen die Koalition in NRW verlassen
: Grüne Politik ist kein Husarenritt

Als wir das Regierungsbündnis mit der SPD eingegangen sind, wußten wir in der Streitfrage GarzweilerII eine berechenbare Zeitstrecke vor uns mit zwei Wegmarken: den Verfassungsklagen in Münster und der Genehmigung des Rahmenbetriebsplans. Beide Wegmarken sind überschritten.

Nach wochenlangen, zähen Verhandlungen schaffte Minister Clement auf Intervention des Bergbautreibenden einseitig Fakten. In der politisch motivierten Rahmenbetriebsplangenehmigung wird die grundsätzliche Beherrschbarkeit der wasserwirtschaftlichen Auswirkungen von der Zulassungsbehörde in Übereinstimmung mit den Oberen Wasserbehörden bei den Bezirksregierungen in Köln und Düsseldorf sowie dem Landesoberbergamt bejaht. Unterschiedliche Rechtsstandpunkte zu den noch verbleibenden Prüfmöglichkeiten der Umweltministerin sind in der Genehmigung festgeschrieben.

Damit ist der Werkzeugkasten zur wasserrechtlichen Überprüfung, der der grünen Umweltministerin Bärbel Höhn jetzt noch bleibt, sehr klein. Zudem kann er ihr jederzeit von der SPD – politisch motiviert auf Wunsch und im Interesse von RWE – aus der Hand genommen werden.

Unser Landesvorstand und Bärbel Höhn haben diesen Vorgang als so dramatisch bewertet, daß sie die Einberufung einer Sonderkonferenz der Landesdelegierten für notwendig hielten. Dort soll entschieden werden, ob die Grünen die Koalition verlassen.

Bei dieser Entscheidung geht es nicht um die Bewertung der Geradlinigkeit und Kampfbereitschaft unserer Ministerin; diese werden von niemandem in Zweifel gezogen. Es geht um eine nüchterne Risikenfolgenabschätzung darüber, wie in der aktuellen Situation in NRW die Durchsetzungskraft bündnisgrüner Politik glaubhaft erhalten und gestärkt werden kann. Maßgeblich für diese Bewertung ist die Tatsache, daß dieses Vorgehen von Minister Clement von der gesamten SPD der Sache nach unterstützt wird. Die Unterschiede in der Rechtsauffassung zwischen Bündnisgrünen und SPD über das weitere Verfahren sowie der feste Wille, „alles“ zu unternehmen, „damit Garzweiler II beginnen könne“, so Müntefering, werden bekräftigt.

Nachdem wir die beiden Wegmarken der Berechenbarkeit (Verfassungsklagen und Rahmenbetriebsplangenehmigung) passiert haben, hängen Glaubwürdigkeit und Gestaltungswille bündnisgrüner Politik jetzt einseitig und ausschließlich von der Bereitschaft der SPD zu fairer Zusammenarbeit in der Koalition ab.

Die Ereignisse in den letzten Wochen haben deutlich gemacht, daß bei der NRW-SPD die Loyalität zu einem Unternehmen absoluten Vorrang vor der Notwendigkeit fairer Zusammenarbeit mit dem kleinen Koalitionspartner hat. In der Koalition zu bleiben ist für die Bündnisgrünen NRW deshalb ein unkalkulierbares Kamikazeunternehmen. Unsere Arbeit und unsere Ziele sind zu wichtig, als daß sie bei einem derartigen Husarenritt aufs Spiel gesetzt werden dürfen. Christa Nickels

Die Autorin ist Bundestagsabgeordnete der Bündnisgrünen