„Wir sind von ihm sehr enttäuscht“

Dem Pfarrer Klaus Geyer wird vorgeworfen, seine Ehefrau Veronika getötet zu haben. Gestern sagten Zeuginnen aus, die mit ihm intim gewesen sein sollen. Die Öffentlichkeit wurde weitgehend ausgeschlossen  ■ Aus Braunschweig Bascha Mika

Das Privatleben eines Menschen geht die Öffentlichkeit nichts an. Und so war der sechste Prozeßtag vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Braunschweig weitgehend ein Tag der verschlossenen Türen. Die geladenen Zeuginnen hatten den Ausschluß der Öffentlichkeit beantragt, und das Gericht gab den Anträgen statt. Die Frauen gehören alle zum persönlichen Umfeld des Angeklagten Klaus Geyer. Einige von ihnen hatten vermutlich intime Beziehungen zu ihm. Hinweise auf das rege außereheliche Sexualleben des angeklagten Pfarrers aus dem niedersächsischen Beienrode sind inzwischen aktenkundig. Grund genug für das Gericht, der Privatsphäre der Zeuginnen den Vorrang vor dem Recht der Öffentlichkeit auf Information zu geben.

Es ist ein nachdenklich wirkender Angeklagter, der dem Vorsitzenden Richter lauscht, den Kopf meist gesenkt. Ein schmächtiger Mann mit grauem Haarkranz in gedecktem Jackett. Die Souveränität und Energie, die Klaus Geyer während der ersten Prozeßtage ausstrahlte, ist verhaltener geworden. Er ist der erste Pastor in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik, der wegen Totschlags vor Gericht steht. Im Juli vergangenen Jahres soll der 57jährige seine Frau Veronika Geyer-Iwand nach 29 Ehejahren brutal erschlagen haben. Beide galten als überzeugte Christen, die sich vielfältig engagierten. Klaus Geyer sagt: „Ich bin unschuldig.“ Die Staatsanwaltschaft sagt, ein schwerer ehelicher Beziehungskonflikt habe ihn zu der Tat motiviert. Es gibt weder Tatzeugen noch ein Geständnis.

Als Susanna K., die wohl wichtigste Zeugin des Tages, im schwarzen Kostüm den Gerichtssaal betritt, schaut Klaus Geyer kaum auf. Auch von ihrer Seite keine Kopfbewegung in seine Richtung, kein Nicken. Dabei war die 41jährige wissenschaftliche Angestellte aus Hamburg wahrscheinlich die „aktuelle Geliebte“ des Pfarrers bis zu seiner Verhaftung. Sie soll die Nacht nach dem Verschwinden von Veronika Geyer – ihr Mann hatte sie da bereits als vermißt gemeldet – zusammen mit Klaus Geyer im Ehebett des Paares verbracht haben.

Öffentlich muß Susanna K. nur über das Telefonat Auskunft geben, das sie mit Geyer am selben Abend führte. „Ich vermisse Veronika“, habe Geyer gesagt und ihr geschildert, wie lange und wo er seine Frau überall gesucht habe. Alles weitere über ihre Beziehung zu dem Angeklagten kommt dem Publikum nicht zu Ohren.

Gundila W. aus Beienrode ist die einzige Zeugin des Tages, die öffentlich aussagen will. Die Kindergartenleiterin bestätigt, daß sie über eine dritte Person einen Kassiber von Geyer aus der Untersuchungshaft bekommen hat, in dem er sie aufforderte, eine falsche Aussage zu seinen Gunsten zu machen. Trotzdem sei sie überzeugt, daß er unschuldig sei. Seit vielen Jahren sei sie mit dem Ehepaar Geyer befreundet gewesen. Über die Ehe könne sie nichts Negatives sagen. Allerdings habe sie von einer intimen Beziehung von Klaus Geyer zu einer anderen Frau gewußt.

Während drinnen im Sitzungssaal 118 ohne Prozeßbeobachter verhandelt wird, kocht draußen im Flur der Volkszorn hoch. Und stets sind Kameras zur Stelle, um ihn einzufangen. Zwei Frauen aus Beienrode erbosen sich lautstark. „Hat doch jeder gewußt im Dorf, das mit den Frauengeschichten des Pastors“, sagt die eine und zupft nervös an ihrem Schal, als sich ein Scheinwerfer auf sie richtet. „Daß das aber so schlimm bei ihm war... Wir sind inzwischen sehr enttäuscht von ihm.“ Auch am sechsten Verhandlungstag hat das Publikumsinteresse an dem Verfahren nicht nachgelassen. Und für Beobachter ist offensichtlich: Es steht eher schlecht als gut für Klaus Geyer. Zugunsten des Angeklagten sprachen verschiedene Zeugenaussagen seit Prozeßbeginn: Eine Freundin der Getöteten erzählte, daß ihr nichts von Ehekrisen zwischen den Geyers bekannt sei. Handwerker und Bekannte, die das Ehepaar kurz vor der Tat zusammen erlebt hatten, berichteten von einer fröhlichen Atmosphäre. Ein Gutachter erklärte, an der mutmaßlichen Tatwaffe, einem Nageleisen aus dem Auto von Veronika Geyer, hätten sich weder Blut- noch Gewebespuren der Toten befunden. Doch gegen den Angeklagten spricht: Die Haushälterin will lautstarke Ehekräche zwischen den Geyers mitangehört haben. Ein Telekom-Mitarbeiter sagte aus, man habe ein Telefonat aus der Nähe des Tatorts nach Beienrode registriert; Klaus Geyer hat inzwischen zugegeben, dieses Gespräch geführt zu haben. Ein Gutachter fand Boden- und Pflanzenreste sowie die Überbleibsel einer schwarzen Ameise an Stiefeln aus dem Auto von Klaus Geyer; die Proben sollen „gute Übereinstimmung“ mit dem Erdreich des Tatorts aufweisen.