„Stümperhaft, gefährlich, amoralisch“

■ In den USA regt sich wieder eine Friedensbewegung. Sie ist eine Mischung aus der alten Abrüstungsbewegung und kirchlicher Gruppen

Nicht ganz 100 Leute waren es, die sich am Mittwoch vor dem Weißen Haus mehr zu einer „Photo Op“ (Fototermin) denn zu einer Protestkundgebung gegen einen Bombenkrieg der USA gegen den Irak versammelten. Gleiches spielte sich in 34 Städten ab, in Boston, New York, Memphis, Berkeley, Sacramento und Detroit. „Politisch stümperhaft, strategisch gefährlich und moralisch eine Bankrotterklärung“, sei der im Pentagon geplante Angriff, erklärte Gordon Clark von Peace Action.

Mit ganzseitigen Zeitungsanzeigen, einem 60-Sekunden-Werbespot im Radio und via Internet (z.B. auf der Homepage der Iraq Action Coalition: http://leb.net/ IAC/) hofft eine sich neu organisierende Friedensbewegung in den USA, die Diskussion und damit vielleicht den Gang der Dinge zu beeinflussen. Sie besteht aus Relikten der alten Abrüstungsbewegung, verschiedenen kirchlichen Gruppen wie dem Netzwerk der Katholiken und dem American Muslim Council und natürlich dem ehemaligen US-Justizminister Ramsey Clark, der schon vor sechs Jahren als Golfkriegsgegner von sich reden machte.

„Bombenangriffe führen zu einem politischen und diplomatischen Desaster“, erklärte David Cortright, Vorsitzender einer Organisation, die sich „Die Vierte Freiheit“ nennt, mit der die Freiheit vor Kriegsfurcht gemeint ist – Freiheit der Rede, Religionsfreiheit und Freiheit vor Not sind die anderen drei. Cortright ist ehemaliger Vorsitzender von Sane, der auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges mitgliederstärksten Bewegung für atomare Abrüstung.

„Die schlichte Wahrheit ist, daß wir diesen Bombenkrieg beginnen werden, weil wir nicht wissen, was wir sonst tun sollen“, erklärte Gordon Clark, ehemaliger Vorsitzender von Freeze, der Bewegung für die Beendigung des atomaren Wettrüstens.

„Die Öffentlichkeit wird entsetzt sein“

Zwar sind nach Umfrageergebnissen eine Mehrheit der US-Amerikaner bereit, Bombenangriffe gegen den Irak zu akzeptieren, doch ist die Bereitschaft mit Fatalismus gekoppelt. Die Mehrheit der Amerikaner ist nämlich zugleich der Ansicht, daß Bomben an der Situation nichts ändern werden. „Tut, was ihr unbedingt tun müßt, aber laßt nichts unversucht, es zu vermeiden“, interpretierte Danny Davis, Kongreßabgeordneter aus Illinois, der ebenfalls auf der Kundgebung in Washington sprach, die Stimmung im Volk. Er gehört zu einem kleinen Kreis von Abgeordneten, die prinzipiell gegen ein militärisches Vorgehen am Golf Stellung beziehen. Für die Republikanische Kongreßmehrheit hingegen ist die Ausweglosigkeit, in die die US-Außenpolitik geraten ist, eher ein Hebel, den man gegen einen innenpolitisch starken Präsidenten ansetzen kann. Weder Danny Davis noch sonst jemand innerhalb dieser neuentstehenden Friedensbewegung macht sich Illusionen über deren Einfluß. Man vertraut darauf, daß zweierlei einen Stimmungsumschwung herbeiführen wird: daß ein Bombenkrieg – nicht anders als die Sanktionen – in erster Linie Unschuldige und darunter die Schwächsten treffen wird, und daß selbst ein aus der Luft geführter Krieg nicht ohne Risiko für US-Soldaten ist.

„Eine Million Menschen sind im Irak bisher durch den Krieg und die Sanktionen umgekommen, die Hälfte davon Kinder“, erklärt Kathy Thornton vom Katholischen Netzwerk. „Die amerikanische Öffentlichkeit wird entsetzt sein, wenn sie erst die ganze Wahrheit erfährt.“ „Sollen künftige Geschichtsschreiber wirklich davon berichten, daß um die Jahrtausendwende eine ganze Nation von Kindern und Jugendlichen geopfert wurde, weil ein Diktator sein eigenes Volk zur Geisel nahm?“ fragt der pensionierte Admiral Eugene Carrol.

Latente Risse gehen durch diese Friedensbewegung. Für einige ihrer Sprecher ist die Fortführung der Sanktionen die Alternative zum Krieg, für andere ist der Krieg die Fortführung der Sanktionen mit anderen Mitteln. Für sie ist Abschreckung die Alternative zu beidem – eine Ironie der Geschichte, daß just jene, die während des Kalten Krieges gegen Abschreckung eintraten, nun darauf setzen. Peter Tautfest, Washington