SFOR-Truppe in Bosnien weiter ohne Nachfolger

■ Nato-Rat verschiebt Beschluß über Details des Militäreinsatzes. Druck auf Clinton wächst

Genf (taz) – Zum zweitenmal seit Anfang des Jahres haben die 16 Botschafter des Brüsseler Nato- Rates in dieser Woche die Detailentscheidung über eine Nachfolgeregelung für die SFOR-Truppen in Bosnien nach Ende Juni verschoben. Lediglich im Prinzip vereinbart, aber nicht endgültig beschlossen wurde, daß die SFOR in ihrer bisherigen Stärke von 35.000 Soldaten bis zu den bosnischen Parlamenswahlen Mitte September im Land bleiben soll.

Für danach werden weitere Optionen diskutiert: von einer Nachfolgetruppe im selben Umfang über eine Reduzierung auf etwa 20.000 Mann bis zum Totalabzug. Aufgaben und Funktion einer Nachfolgetruppe sind ebenfalls noch umstritten, vor allem aber die künftige Lastenverteilung.

Die Amerikaner drängen auf eine deutliche Reduzierung ihres bisherigen Personal- und Kostenanteils an der SFOR und auf ein stärkeres Engagement der Europäer. Entsprechende, im Namen „der Europäer“ gemachte Zusagen der Bundesregierung auf der Münchner Tagung für Sicherheitspolitik am letzten Wochenende wurden in einigen europäischen Hauptstädten mit Befremden aufgenommen.

Zumindest aus Sicht Washingtons steht die Frage des künftigen Engagements der Nato in Bosnien in einem politischen Zusammenhang mit der geplanten Osterweiterung des Bündnisses sowie der Erweiterung seiner globalen Handlungsspielräume. Präsident Bill Clinton, der dem Senat jetzt offiziell die Ratifizierungsurkunden für die Aufnahme Polens, Ungarns und Tschechiens zuleitete, ist in einem Dilemma. Die notwendige Zweidrittelmehrheit bei der für Mai geplanten Abstimmung im Senat wird er nur bekommen, wenn er bis dahin das Nato-Engagement in Bosnien als Erfolgsstory, die weitere Stationierung von US- Truppen als unverzichtbar und die Lastenübernahme der Europäer in einer SFOR-Nachfolgetruppe als ausreichend verkaufen kann.

Die Entscheidungen über eine spätestens September einsatzfähige Nachfolgetruppe müßten aber jetzt fallen. Macht Clinton der Nato bereits ohne einen Beschluß des Senats verbindliche Zusagen, könnte ihm dies in der Erweiterungsdebatte schaden.

Je nach Verlauf der Irakkrise könnte sich das Dilemma für die Clinton-Administration verschärfen. Schon jetzt wächst im Kongreß der Unmut darüber, daß die Nato- Partner die Pläne für militärische Maßnahmen gegen Irak keineswegs geschlossen unterstützen und schon gar nicht bereit sind, sich daran aktiv zu beteiligen. Die Stimmen in Washington, die eben dieses zumindest mit Blick auf künftige Krisen erwarten, werden immer lauter. Verteidigungsminister William Cohen äußerte die Erwartung, die Nato solle künftig auch weit außerhalb ihrer Bündnisgrenzen und ohne UNO-Mandat militärisch handeln.

Nato-Generalsekretär Janvier Solana machte kürzlich in Berlin ähnliche Äußerungen. Der Bundesregierung wird es vielleicht gelingen, eine öffentliche Debatte darüber zumindest auf die Zeit nach den Bundestagswahlen im September zu verschieben. Auf Dauer vermeiden läßt sie sich nicht. Andreas Zumach