Wieder Terrorwochenende im Irak

Bei schweren Anschlägen in Bagdad und anderen irakischen Städten sterben mehr als 130 Menschen, hunderte weitere werden verletzt. Oberster schiitischer Geistlicher Ali Sistani ruft zum Frieden und zum Ende des Konfessionsstreits auf

AUS ERBIL INGA ROGG

Der Selbstmordattentäter hatte seine tödliche Sprengladung unter Mehlsäcken und Gemüsekonserven auf einem Lastwagen versteckt. Eine Tonne war es laut der Polizei, zusammengesetzt aus Minen, Granaten, Mörsern und Sprengstoff. Am frühen Samstagabend fuhr der Täter damit den Sadrija-Markt in Bagdad und zündete den Sprengsatz inmitten der Menschenmenge. Mindestens 130 Passanten fielen nach Polizeiangaben dem ruchlosen Anschlag zum Opfer, mehr als 300 wurden verletzt. Die meisten Opfer waren Schiiten, die sich kurz vor Beginn der Ausgangssperre noch mit Lebensmitteln eindeckten.

Der Anschlag war einer der schlimmsten in den letzten Monaten, aber bei weitem nicht der einzige an diesem Wochenende im Irak. Bei mehreren Bombenanschlägen in Bagdad wurden gestern mindestens elf Personen getötet. Kämpfe in Samarra und Mossul und eine Serie von Bombenanschlägen in Kirkuk forderte mindestens 20 Tote.

Das Büro von Grossajatollah Ali Sistani, dem höchsten Geistlichen im Land, kündigte an, die Kosten für die Behandlung der vielen Verletzten in den überforderten Krankenhäusern zu übernehmen. Nur wenige Stunden vor dem Bombenmassaker hatte Sistani sich mit einem Friedensappell an die Iraker gewandt. Es sei die Pflicht jedes guten Muslim, der Gewalt und den Differenzen entgegenzutreten, erklärte Sistani. „Wir müssen enger zusammenstehen denn je und von konfessionellen Tumulten und Kämpfen Abstand nehmen.“

Etwa zur gleichen Zeit drohten sunnitische Extremisten aus dem Umfeld der al-Qaida im Irak damit, die Anschläge im gesamten Land zu verstärken. Zugleich übernahm die Gruppe die Verantwortung für die Bombenserie in Kirkuk. Dort hat sich der Konflikt in jüngster Zeit verschärft, weil in diesem Jahr noch darüber entschieden werden soll, ob die Erdölmetropole Kurdistan zugeschlagen werden soll oder weiterhin der Zentralregierung in Bagdad untersteht. Die Kurden haben in den letzten Wochen in scharfer Rhetorik deutlich gemacht, dass ein Verzicht auf Kirkuk für sie nicht in Frage kommt.

Der Regierungssprecher Ali Dabbagh machte für die Anschlagserie sunnitische Extremisten, die aus Syrien einsickerten, verantwortlich. 50 Prozent der Gewalttäter kämen aus dem Nachbarland. Regierungschef Nuri al-Maliki verwies erneut auf Saddam-Anhänger und Baathisten.