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Durchs DröhnlandHübsch und nützlich

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Als ich noch ziemlich klein war, wollten mir meine Eltern etwas Gutes tun. Ich sollte was lernen, also schenkten sie mir ein Abo von Reader's Digest. Im Gedächtnis geblieben ist mir eigentlich nur ein Stück Dokufiktion über den letzten Dodo auf Mauritius, der irgendwann im 17. Jahrhundert ausgerottet wurde. Auch wenn das Tierchen weder hübsch noch sonderlich nützlich war und nicht einmal fliegen konnte, das war dann doch herzzerreißend. Nach dem Vogel hat der aus Brüssel stammende Berliner Oliver Doerell sein Projekt L'ami dodo benannt. Das macht natürlich Sinn, wenn man so ein einsamer Frickler ist wie Doerell, der live, ganz allein mit seiner Gitarre bewehrt, versucht, sich gegen die Samples zu wehren, die er von seiner Band aufgenommen hat, die er eigentlich nicht Band nennen möchte. „Heute bin ich mal eine Ameise“, singt er, und seine Gitarre macht das Ekelgefühl hörbar, „wenn sie an dir hochkriecht“. Ein internationaler Hit ist von Doerell in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, aber sein Bestreben, den Chanson zum Opfer eines Low-Fi- Ansatzes zu machen, ist immerhin lobenswert.

13.2., 22.30, Roter Salon der Volksbühne

Meredith Brooks aus Oregon ist unheimlich stolz, daß sie sämtliche Gitarrenparts ihrer ersten Soloplatte „Blurring The Edges“ höchstpersönlich eingespielt hat. Doch nicht das hat sie globusweit in die Top 10 gebracht, sondern ein Song mit dem zündenden Titel „Bitch“ und einer ebenso explosiven Hookline, kurz und gut so ziemlich das beste Stück Rockpop, das letzte Saison zu finden war. Mit „Bitch“ wurde zudem der Girrrlsm endgültig hitparadentauglich. In letzter Konsequenz bietet Brooks allerdings kaum mehr als Ina Deter auf US-Maßstäbe zurechtgestutzt. „Neue Männer braucht das Land“ wird bei Brooks zu „So take me as I am, this may mean you have to be a stronger man“. Was bleibt, ist Mainstream auf allerhöchstem Niveau.

13.2., 20 Uhr, Tränenpalast, Reichstagufer 17

Im Zeitalter von Postrock beteiligen sich auch June of 44 am allseits beliebten Spielchen namens Strukturauflösung. Die Band stammt aus Louisville, Kentucky, nicht nur Heimstatt der berühmtesten Baseballschlägerfabrik der Welt, sondern auch einiger respektabler Rock-Rettungs-Projekte. Mit unglaublich sanfter Akribie zupfen sie ihre Gitarren und ihren Bass und klopfen extrem vorsichtig mit dem Schlagzeug. Im Gegensatz zu anderen Bands aber lassen sie den Song weiter als Einheit bestehen, auch wenn sich seine Struktur nur mehr wie durch einen Schleier betrachten läßt. Die Veränderungen und Spannungsunterschiede sind zwar durchaus extrem, aber June of 44 schaffen es, selbst in den noisigen Momenten fast unbeteiligt an der Sache zu wirken. Andererseits ist ihre Musik gefühlig, ja fast freundlich, ohne jemals süßlich zu werden. Es ist ziemlich verwirrend. Es wäre Musik, die man sich nicht erträumt, zu der man auch nicht träumen kann, aber die funktioniert wie ein Traum: wie ein Sog, meist wohlig, aber auch mit unangenehmen Sequenzen, denen man nicht entkommen kann. Wirklich komisch, aber vor allem ziemlich grandios.

15.2., 20 Uhr, Lychener Str. 60

Von der Verknüpfung des relativ altmodischen Improvisationsgedankens im Rahmen einer Band mit den relativ neuen Errungenschaften der Elektronik hat man uns in letzter Zeit des öfteren ein Liedchen gepfiffen. In Berlin tun es To Rococo Rot, in Britannien die High Llamas und in Wien die Sofa Surfers, wenn auch mit jeweils dramatischen Unterschieden im Ergebnis. Allesamt sind sie in dieser Woche in der Stadt, die Österreicher machen den Anfang mit ihren so entspannt dahindudelnden Instrumentals, die nicht nur im freundlichen Blubbern an Dub erinnern, sondern sich auch tatsächlich hin und wieder einen Off-Beat leisten. Das ist dann „der Versuch, den Sound flauschig zu halten“, wie die Band im Interview anmerkte. Man erkennt, daß das Sextett eher von der handgemachten Musik kommt, denn während die jazzigen, vorsichtig tastenden, improvisierten Teile wunderschön geraten, sind ihre Vorstellungen von Tanzbodengrooves meist ziemlich stumpf. Was wohl vor allem an der Arbeitsweise liegt, denn sämtliche Tracks entstehen bei ellenlangen Sessions, die mitgeschnitten werden. Auf der Bühne kommt das Grundgerüst vom Band, der Rest ist dann eher „jazznahe Herangehensweise“.

15.2., 21 Uhr, Kulturbrauerei, Knaackstraße 97

Nach so viel hochmodernem Stoff noch etwas für die Traditionalisten. The Fatal Shore gingen hervor aus Once Upon A Time, die nicht nur so hießen, sondern tatsächlich einem Sergio-Leone-Western entsprungen zu sein schienen. Nach drei Platten im Schatten von Nick Cave lösten sie sich auf, und Gitarrist Bruno Adams und Trommler Chris Hughes gingen getrennt Soloprojekten und der Romanschreiberei nach. Dann traf Adams in Prag den dort lebenden Engländer Phil Shöenfelt, der sich schon zu Punkzeiten in New York rumgetrieben hatte. Und wie das Jungs so machen, gründeten sie eine Band, für die sie Hughes engagierten. Fatal Shore lassen nun recht effektiv genau jene mittlere Phase von Nick Cave um „The Mercy Seat“ herum wiederaufleben, als er sich langsam von der unkontrollierten Manie der Birthday Party verabschiedet hatte, aber noch nicht freundlicher Belanglosigkeit verfallen war. Das verschneiden sie mit reichlich Country-Seligkeit, und fertig ist die Laube, die klingt wie mauerromantisches West-Berlin. Das ist weniger Reminiszenz als Festhalten an der eigenen Vergangenheit, aber genau deswegen auch hochsympathisch. Auch diese Generation hat längst schon eine Historie, an die sich zu erinnern lohnt.

19.2., 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Str. 53–56 Thomas Winkler

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