„Schon ein Schritt irgendwohin“

■ Beim Supercup zieht Handball-Bundestrainer Heiner Brand eine vorsichtig positive Bilanz und blickt zuversichtlich nach vorn zur EM

Ludwigshafen (taz) – Nach einem Jahr und 38 Tagen kam Heiner Brand jetzt also zurück an den Ort, an dem alles begann. Damals gewann die deutsche Handball- Nationalmannschaft der Männer in der Ludwigshafener Friedrich- Ebert-Halle mit ihrem neuen Bundestrainer aus Testzwecken gegen Island mit 32:24, und die taz stellte fest, daß Brand bei seiner alleinverantwortlichen Premiere sogar mehrfach gelacht habe aus Freude über die Partie, was eine Sensation war für einen Handball-Bundestrainer zu jenen Zeiten. Diesmal hatten es die Männer vom Deutschen Handball-Bund (DHB) zum Auftakt des Supercups mit Rumänien und Kroatien zu tun. 23:16 schlugen sie die einen am Dienstag, 23:23 endete es einen Tag später gegen die anderen.

Und wie immer, wenn sich ein Kreis schließt, treten Ergebnisse in den Hinter- und Erkenntnisse in den Vordergrund. Was sich denn geändert habe bei den deutschen Handball-Männern, seit er das letzte Mal in Ludwighafen gewesen sei, wurde Heiner Brand gefragt. Und weil sich das nicht einfach so aus dem Stegreif erklären läßt, legte der Mann mit dem nach wie vor imposanten Schnurrbart die Stirn kurz in Falten, bevor er in gewohnt sonorer Tonlage feststellte, „daß wir schon einen Schritt irgendwohin gemacht haben“.

Das ist erfreulich, weil der 45jährige doch schon im nächsten Atemzug hinzufügte, daß es tatsächlich ein bißchen nach vorne gegangen sei mit dem am Boden liegenden deutschen Männer-Handball. „Daß wir die EM-Qualifikation so souverän genommen haben, hat mir schon imponiert“, sagt Brand, wie weit es Ende Mai in Südtirol reicht, muß abgewartet werden. Rang fünf hat sich der Bundestrainer als Minimalziel auserkoren, weil die Seinen damit automatisch mitwirken dürften bei der WM und nicht wieder nur zusehen, wie beim letzten Mal in Japan.

Der bis Sonntag andauernde Supercup kommt Brand da gerade recht, weil eine prima Gelegenheit, unter Wettkampfbedingungen zu testen und weitere Aufschlüsse zu gewinnen, wer am besten mitzunehmen sei zur EM. 16 Plätze hat Brand dafür zu vergeben, einen „schlagkräftigen Kader“ will er nun zusammenbauen. Doch auch Heiner Brand wird, wie seine Vorgänger, gezwungen sein, „Kompromisse zu machen“. „Wir können nicht alle Positionen doppelt besetzen“, weiß der Mann aus Gummersbach heute schon, weil die wenigsten seiner Nationalspieler gleichsam in Abwehr und Angriff eingesetzt werden in ihren Vereinen in der Bundesliga. Darauf muß auch er Rücksicht nehmen; „Da“, sagt er, „könnten wir Probleme kriegen.“ Zumal Teams wie beispielsweise Frankreich oder Schweden, anders als die Deutschen, zum Großteil auf ihren WM-Kader zurückgreifen können und somit auf ein bereits eingespieltes Kollektiv.

Aktuell weit mehr sorgt sich Brand aber, daß er bei seinen Spielern in den ersten beiden Supercup-Partien einen deutlichen Frischeverlust bemerken mußte. „In beiden Spielen waren wir in den ersten 30 Minuten fast apathisch“, stellte der Bundestrainer fest; gegen die derzeit kaum erstklassigen Rumänen lagen die Deutschen zur Pause noch mit 9:12 im Hintertreffen, auch gegen den nicht in Bestbesetzung angetretenen Olympiasieger aus Kroatien dauerte es gut 25 Minuten, ehe das DHB-Team aufwachte. „Wenn es daran liegt, daß die Spieler überspielt sind, werde ich ihnen eine Pause geben“, sagt Brand im Hinblick auf die vielen Europapokaleinsätze der meisten Bundesligisten, wohlwissend, daß es bei der EM wichtig sein wird, „daß wir frisch sind und hundert Prozent geben können“. Die wird es schon heute abend brauchen, wenn Brand mit seiner Mannschaft in Karlsruhe auf Frankreich trifft. Mit einem Unentschieden würde sich das DHB- Team direkt fürs Halbfinale am Samstag in Stuttgart qualifizieren, bei einer Niederlage müßte das Torverhältnis zwischen Deutschland und Kroatien entscheiden. „Wir können auch mit guten Mannschaften mithalten“, hat Brand gesagt. Heute kann es das Team beweisen. Frank Ketterer