176 Stimmen retten die Regierung

In Dänemark bleibt der erwartete Regierungswechsel aus, die sozialdemokratische Koalition kann mit hauchdünner Mehrheit weiterrregieren. Fast jede zehnte Stimme ging an ausländerfeindiche Parteien  ■ Von Reinhard Wolff

Stockholm (taz) – Die Sozialdemokraten und ihr Koalitionspartner, die liberale „Radikale Venstre“, behalten die Regierungsmacht in Dänemark nach den Wahlen vom Mittwoch. 176 Stimmen für den Kandidaten einer sozialdemokratischen Schwesterpartei auf den zu Dänemark gehörenden Färoer-Inseln gaben zusammen mit einem weiteren sozialdemokratischen Mandat aus Grönland am frühen Donnerstagmorgen den Ausschlag. Das „sozialdemokratische Lager“ aus Sozialdemokraten, Radikaler Venstre, Sozialistischer Volkspartei und linkssozialistischer „Einheitsliste“ verfügt damit über 90 gegenüber 89 Sitzen der Opposition.

Alle Meinungsumfragen hatten bis zum Wahltag einen sicheren Wahlsieg für die vom Vorsitzenden der rechtsliberalen Venstre, Uffe Ellemann-Jensen, geführte bürgerliche Opposition vorhergesagt. Gerade die Umfragen könnten einen Großteil der sozialdemokratischen Wählerschaft noch in letzter Minute zu den Wahlkabinen mobilisiert haben, worauf auch die Rekordwahlbeteiligung von über 86 Prozent schließen läßt. Rasmussens Partei konnte statt des erwarteten leichten Rückgangs sogar noch ein Mandat zulegen und bleibt mit 36 Prozent klar Dänemarks stärkste Partei.

Zwei Männer gingen als Verlierer aus der Wahlnacht: neben Ellemann-Jensen auch Per Stig Moeller, der Vorsitzende der Konservativen, die nur noch auf knapp neun Prozent kamen und damit fast die Hälfte ihrer Stimmen verloren. Und zwei Frauen waren es, die neben Rasmussen den größten Wahlerfolg verbuchen konnten: Mimi Jakobsen, Vorsitzende der Zentrumsdemokraten, deren kleine Partei fast 50 Prozent zulegen konnte und als Zünglein an der Waage eine zentrale Rolle im neuen Folketing spielen kann, und Pia Kjaersgaard, Vorsitzende der „Dänischen Volkspartei“.

Beide profitierten vom „Ausländerthema“. Pia Kjaersgaard kam mit ihrer neugegründeten ausländerfeindlichen Partei aus dem Stand auf 7,4 Prozent und 13 der 179 Parlamentsmandate. Rechnet man das Ergebnis der ebenso ausländerfeindlichen Fortschrittspartei hinzu, stimmten nahezu zehn Prozent der DänInnen für „Ausländer raus!“

Im Gegenzug wurde Mimi Jakobsen offenbar dafür belohnt, daß sie – neben den beiden sozialistischen Parteien und im deutlichen Gegensatz zu den Sozialdemokraten – klar gegen die ausländerfeindliche Stimmung im Lande und alle Pläne zu einer Verschärfung der Ausländerpolitik seitens der großen Parteien argumentierte. Im Lager der bürgerlichen Parteien stand sie damit allein auf weiter Flur.

Die Zentrumsdemokraten hatten zunächst angekündigt, eine bürgerliche Regierung stützen zu wollen. Angesichts des Wahlergebnisses machte Jakobsen aber klar, auch wieder für den ehemaligen Koalitionspartner Rasmussen stimmen zu können: „Wir sind jeder Regierung behilflich, mit der wir unsere Ziele verwirklichen können.“

Kann Nyrup Rasmussen sich auf dem Papier zwar nur auf eine Stimme Mehrheit stützen, dürfte der Schwenk der Zentrumsdemokraten und die auf sechs Parteien zersplitterte bürgerliche Opposition bedeuten, daß seine Koalition entspannt den kommenden vier Jahren entgegensehen darf. Kommentar Seite 12