Das Holocaust-Mahnmal existiert – im kleinen

■ Der mögliche Siegerentwurf von Serra/ Eisenman ähnelt einer Libeskind-Skulptur

Berlin (taz) – Vielleicht gehört es zur Ironie der Geschichte, daß der mögliche Entwurf für das Holocaust-Mahnmal am Brandenburger Tor bereits en miniature existiert – obwohl über den Standort und die dafür vorliegenden vier Wettbewerbskonzepte gestritten wird. Wer in diesen Tagen am fast fertigen Neubau für das Jüdische Museum von Daniel Libeskind vorbeigeht, den beschleichen genau diese Assoziationen. Denn hinter dem Museumsbau, der durch seine Form und das Ausstellungsprogramm die Geschichte der Vernichtung thematisiert, ist jetzt eine Skulptur im Garten fertiggestellt worden, die dem favorisierten Mahnmalentwurf von Richard Serra und Peter Eisenman (New York) nicht unähnlich sieht: ein begehbarer Säulenwald, der die Erinnerung an jüdisches Leben und Verschwinden wachruft.

Ähnlich dem Vorschlag von Serra/Eisenman, die ein riesiges Feld von mehreren Meter hohen Steinsäulen – als Symbole von Grabsteinen jüdischer Friedhöfe – planen, entwarf Libeskind einen quadratischen Säulengarten mit haushohen Betonklötzen. Die insgesamt 49 Säulen stehen in einem geneigten Hof, von dem aus eine Rampe in die Museumsbereiche führt. Aus dem steinernen Irrgarten („E.T.A.-Hoffmann-Garten“ getauft, da der Romantik-Dichter einst im Nachbarhaus wohnte) wachsen auf der Spitze von 48 Säulen Sträucher.

Eine Säule ohne Bewachsung bleibt leer, steht diese doch für die Leerstelle jüdischen Lebens in Deutschland. Auch die anderen Steinstelen, erklärte Libeskind, stellen Bezüge zur jüdischen Geschichte dar. Die Zahl 49 entspricht in der jüdischen Mythologie der Zahl der Gerechten. Außerdem, so Libeskind, erinnerten die 48 bewachsenen Klötze an die Gründung des Staates Israel 1948.

Haben nun Serra/Eisenman den Entwurf abgekupfert und die Form einfach aufgeblasen? Oder handelt es sich hierbei um ein Denkmal, das ein Mahnmal werden könnte? In der Vergangenheit haben nicht wenige in Berlin, weil der Diskurs um das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in die Sackgasse geraten ist, dafür plädiert, am Jüdischen Museum die „Kranzabwurfstelle“ einzurichten. Das mag verwundern. Fakt bleibt, daß es ein Ort wäre, an dem Dokumentation statt Inszenierung die Erinnerung bestimmen könnte. Fakt bleibt aber auch – bis zur Entscheidung des Gegenteils –, daß der Säulengarten von Libeskind selbst wie auch von der Berliner Kulturverwaltung und den Museumsmachern nicht als Mahnmal gesehen wird.

Für Axel Wallrabenstein, Sprecher des Kultursenators, dem Bauherrn des Museums, „bleibt der Standort am Brandenburger Tor“ der Platz für das Holocaust-Mahnmal. Das Areal Jüdisches Museum sei nie in der Diskussion gewesen. Und auch Marlies Übe vom zuständigen Berlin Museum mag den Säulenwald nicht als Denkmal sehen. Dem ist nichts hinzuzufügen – aber die Assoziation bleibt. rola