Die Entstaatlichung der Gefängnisse

■ Seit Anfang der 90er Jahre ist in Großbritannien der Strafvollzug privatisiert worden. 60.000 Menschen sind derzeit gefangen – Rekord

Dublin (taz) – Die Idee, die Gefängnisse zu verkaufen, kam den Tories auf der Höhe des Privatisierungsfiebers Anfang der neunziger Jahre. 1994 war die Zahl der Gefangenen in einem Jahr um 20 Prozent gestiegen. Dazu hatten die Politiker freilich ihren Teil beigetragen. Labour wetteiferte mit den Tories um den Ruf, die schärfste „Law and order“-Partei zu sein. „Politische Rhetorik ist genauso wie die Regierungspolitik dafür verantwortlich, daß die Gerichte härtere Strafen verhängen“, sagte Stephen Shaw, der Direktor des Prison Reform Trust, zur taz.

Wolds war das erste Privatgefängnis, es wurde 1994 von der Sicherheitsfirma Group 4 eröffnet, die nun auch den Kinderknast betreibt. Die Baukosten trug der Staat. In den folgenden Jahren gingen auch bereits bestehende Gefängnisse in Privatbesitz über. Die finanziellen Vereinbarungen mit den Privatfirmen blieben geheim. So läßt sich das Argument der Politiker, daß private Gefängnisse effizienter und deshalb kostengünstiger seien, nicht nachprüfen.

Nachdem das frühere Staatsgefängnis Blakenhurst 1993 an das Konsortium UK Detention Services verkauft worden war, sank die Zahl der Wärter um ein Drittel. Schließlich sind die Personalkosten einer der wenigen Bereiche, in denen sich Geld sparen läßt. Statt dessen behalf man sich mit Elektronik: Die Gefangenen müssen Armbänder mit Strichcodes tragen, ein Lasergerät meldet einem Zentralcomputer ständig den Aufenthaltsort des Gefangenen. Folge war, daß verschiedene Privatknäste außer Kontrolle gerieten. In Blakenhurst lag die Zahl der tätlichen Angriffe auf Wärter viermal höher als im berüchtigten Gefängnis Brixton, das doppelt so viele Gefangene hat.

Weil die Gerichte auch für Bagatelldelikte Gefängnisstrafen verhängen, erreichte die Zahl der Gefangenen im vorigen Jahr mit 60.000 Rekordhöhe. Jede Woche kommen 350 Gefangene hinzu, neue Gefängnisse mit 8.000 Plätzen sind im Bau. Bis dahin sind selbst alle Zellen ausgebucht. Vor einem Jahr legte an der Insel Portland ein Knastschiff aus den USA an. Es bietet 500 Gefangenen Platz, bis sie in Privatknäste umziehen können. Ralf Sotscheck