Wer den Osten aufgibt, verspielt den Sieg

■ Eckardt Rehberg, CDU-Fraktionsvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, über die Schwäche der CDU in Ostdeutschland, Generalsekretär Peter Hintze und dessen Wahlkampfstrategien: Der Bundeskanzler mu

taz: Die SPD in Sachsen-Anhalt bildet eine von der PDS tolerierte Minderheitsregierung. Ihre Bonner Parteifreunde freuen sich über diese Steilvorlage für den Wahlkampf. Teilen Sie die Freude?

Eckardt Rehberg: Ob ich mich freue, weiß ich nicht. Auf jeden Fall sind die Fronten jetzt klar. Die SPD-Spitze hält das Magdeburger Modell auch in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern für möglich. Wer so etwas in den neuen Ländern macht, der macht es auch in Bonn.

Darauf will Peter Hintze mit einer Kampagne wie 1994 reagieren – auch wenn er die roten Socken als Symbol nicht mehr verwendet.

Ich warne davor, mit Mitteln zu arbeiten, die Millionen Menschen in der ehemaligen DDR daran erinnern, daß sie einmal in der SED waren oder sich in diesem Staat auf irgendeine Weise engagiert haben.

Leben Wahlkämfe nicht immer von einer gewissen Polarisierung und auch Emotionalisierung?

1994 gab es ein Wahlplakat der CSU: eine Büste von Karl Marx mit der Aufschrift „Ich komme wieder über Sachsen-Anhalt“. Das bringt zum Ausdruck, was 1994 und auch jetzt wieder in Sachsen- Anhalt passiert ist, ohne aber Empfindlichkeiten und Befindlichkeiten von Menschen zu berühren. Mit solchen Mitteln kann man einverstanden sein.

Nicht aber mit solchen Mitteln, die Peter Hintze verwenden will?

Eigentlich gilt es als abgesprochen, daß es in dieser Frage einen Kontakt zwischen Bonn und den ostdeutschen Landesverbänden geben muß. Wir werden gemeinsam entscheiden, mit welcher Werbung wir in den Wahlkampf gehen. Ich kann mir gut vorstellen, daß die CDU in den verschiedenen Regionen der Bundesrepublik unterschiedliche Plakate kleben wird.

Wie sieht dann die Werbung der CDU im Osten aus?

Die darf die Menschen nicht an ihre Lebensbiographie erinnern oder sie an Empfindlichkeiten treffen. Die Menschen im Osten sind nicht so konfliktfähig. Schuldzuweisungen stoßen die Leute hier ab. Die Westdeutschen, die Wahlkämpfe schon lange gewohnt sind, sehen darüber eher hinweg.

Berücksichtigt der CDU-Generalsekretär diese Feinheiten zu wenig?

Das Problem habe ich mit Peter Hintze seit gut zwei Jahren. Es ist ganz wichtig, die Sprache der Menschen im Osten zu sprechen und ihnen auch zuzuhören. Das ist eben vom Rhein aus ziemlich schwierig. Aber Hintze ist auch nicht der einzige mit diesem Problem. Schauen Sie sich doch Westerwelle oder Müntefering an. Das betrifft alle, die die Konfliktorientierung in den Parteien übernommen haben.

Eine Kampagne im Stile der roten Socken mobilisiert ja nur im Westen. Im Osten verprellt sie die Leute. Auch CDU-Wähler?

Der entscheidende Punkt war: Die Rote-Socken-Kampagne hat persönliche Betroffenheit ausgelöst. Ein Wahlkampf ohne diese Affinität zur persönlichen Betroffenheit ist kein Problem für die CDU im Osten. Sorgen macht mir vielmehr die Konzentration auf einen Lagerwahlkampf. Die inhaltlichen Kompetenzen der CDU kommen viel zu kurz.

Die sind?

Die PDS ist gegen den Bau der Ostsee-Autobahn. SPD und PDS sind gegen den Transrapid. Die PDS will weiche Drogen freigeben, da schütteln sogar ältere PDS- Kommunalpolitiker den Kopf. Wir müssen uns inhaltlich mit der PDS auseinandersezten.

Der Lagerwahlkampf von Hintze zielt allein auf die Wähler im Westen. Hat die CDU Ostdeutschland schon abgeschrieben?

Nein. Die Wahlen sind 1994 im Osten gewonnen worden, gerade durch die vielen Direktmandate. Wer den Osten aufgibt, verspielt den Wahlsieg. Der CDU-Bundesparteitag nächste Woche in Bremen muß ein deutliches Signal aus der CDU heraus geben: Der Bundeskanzler muß klarmachen, daß der Aufbau Ost nach wie vor Priorität hat.

Die PDS kann mit einem Lagerwahlkampf ganz gut leben. Das macht sie noch stärker. Müssen Sie damit leben?

Die überwiegende Mehrheit der PDS-Wähler ist meiner Erfahrung nach eigentlich gegen die Politik dieser Partei. Wir müssen mit sehr vielen Leuten reden und vor allem die Politik der CDU erklären. Dann haben wir gute Chancen. Ein plakativer Wahlkampf reicht nicht aus. Interview: Robin Alexander