Der Empfang für Suharto: Flammen, Panzer, Barrikaden

■ Chaos nach Plünderungen in Indonesiens Hauptstadt. Rücktrittsabsichten Suhartos dementiert. Chinesische Minderheit und Ausländer verlassen Jakarta in Panik

Berlin (taz) – Angesichts der andauernden Proteste gegen seine Herrschaft ist Indonesiens Präsident Suharto gestern vorzeitig aus Ägypten abgereist. Heute früh sollte er in Jakarta eintreffen. In Teilen der indonesischen Hauptstadt mit zehn Millionen Einwohnern herrschte gestern völliges Chaos. Tausende Menschen zogen durch die Straßen, setzten Autos und Häuser in Brand, plünderten Geschäfte und lieferten sich Straßenschlachten mit Polizei und Militär. Hunderte meist chinesische Geschäfte, Bankgebäude und Hochhäuser standen in Flammen. Soldaten sahen oft den Plünderungen zu, ohne einzugreifen. Einige tauschten mit den Plünderern freundschaftliche Grüße aus.

Indonesiens Außenminister Ali Alatas dementierte von Kairo aus Äußerungen von Präsident Suharto, die zunächst als Bereitschaft zum Rücktritt gewertet worden waren. „Suharto hat nie exakt gesagt, wann er zurücktritt“, sagte Alatas. Indonesische Zeitungen hatten den seit 32 Jahren amtierenden Diktator mit den Worten zitiert, er werde sein Amt niederlegen, falls er das Vertrauen der Bevölkerung verloren habe. Oppositionelle im Land hatten Suhartos Äußerungen von Anfang an ohnehin keinen Glauben geschenkt.

Die Zahl der Menschen, die bei den Unruhen in dieser Woche getötet wurden, hat sich inzwischen auf über zwanzig erhöht. Laut Generalstabschef Wiranto wurden in den vergangenen Tagen drei Soldaten getötet. Nähere Angaben machte er dazu nicht. In der Nacht zu gestern verbrannten fünf Menschen in einer chinesischen Bar, die von Randalierern angezündet worden war. Augenzeugen berichteten auch von Schüssen auf Demonstranten. Am Nachmittag fuhr das Militär in der Innenstadt Jakartas mit Panzerfahrzeugen auf. 15.000 Soldaten seien in Jakarta stationiert, hieß es. Eine Ausgangssperre wollte der Militärchef gestern allerdings noch nicht verhängen.

Chinesischstämmige Indonesier sowie zahlreiche Ausländer versuchen inzwischen das Land zu verlassen. Die Straße zum Flughafen war aber zeitweilig mit Barrikaden blockiert. Die Regierungen westlicher Länder, darunter die deutsche Bundesregierung, warnten inzwischen vor Reisen nach Indonesien. Ausgenommen sei nur die Insel Bali, teilte das Auswärtige Amt mit. Die US-Regierung empfahl den Angehörigen ihrer Botschaftsmitarbeiter die Ausreise. Nach einem Bericht der New York Times will die US-Regierung in direkten Gesprächen mit Indonesiens Militärs ein Ende der Gewalt erreichen. Eine Delegation unter Leitung des Oberbefehlshabers der US-Pazifikstreitkräfte, Admiral Joseph Prueher, wollte noch gestern nach Jakarta aufbrechen. Dies bestärkt Spekulationen, daß Suharto einem Gremium aus Militärs einen Teil seiner Macht übertragen könnte. Sven Hansen

Tagesthema Seite 3