Suharto taktiert in gewohnter Manier

■ Auch wenn der Diktator in nebulösen Worten andeutet, er würde zurücktreten – er denkt nicht im Traum daran, die Macht abzugeben

„Wenn man mir nicht mehr zutraut, das Land zu führen, werde ich ein Weiser und danach streben, Gott näherzukommen.“ Dieser Satz, den Indonesiens Diktator Suharto (76) am Mittwoch abend vor 300 Landsleuten im ägyptischen Kairo sprach, ließ aufhorchen. „Ich werde meine Zeit damit verbringen, meine Kinder zu guten Menschen zu machen und die Gesellschaft aus dem Hintergrund zu lenken“, sagte der Präsident laut Jakarta Post. Er habe nicht die Absicht, sich mit Hilfe von Waffengewalt an der Macht zu halten. Mit diesen Äußerungen deutete der Präsident erstmals seit Beginn der Krise auf die ihm eigene Art die Möglichkeit eines Rücktritts an.

Noch am Wochenende, als Suharto zu seiner ersten Auslandsreise seit Monaten zum G-15-Gipfel nach Kairo aufbrach, galt die Reise als Signal, daß er alles fest im Griff habe und sich von den seit drei Monaten gegen ihn demonstrierenden Studenten nicht beunruhigen lasse. Und am Donnerstag, als sich die Situation bereits zugespitzt hatte, ließ Suharto verkünden, er bleibe wie geplant bis Freitag abend in Kairo. Aber als aus Jakarta weitere Ausschreitungen gemeldet wurden, ließ er plötzlich Termine absagen und kündigte seine Rückkehr für Freitag früh an.

Suharto, der seit 32 Jahren autoritär regiert, hat die Lage falsch eingeschätzt. Seine Äußerungen jedoch bedeuten noch lange nicht, daß er ernsthaft an Rücktritt denkt. „Suharto hat nie exakt gesagt, daß er zurücktritt“, sagte denn auch Außenminister Ali Alatas gestern in Kairo. Suhartos Äußerungen seien nur eine verquere Art, Verärgerung über die Situation in Indonesien auszudrücken, meinte ein hochrangiger indonesischer Vertreter gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Auch Amien Rais, Vorsitzender der zweitgrößten Muslimorganisation des Landes mit 28 Millionen Mitgliedern und einer der Führer der Opposition, blieb skeptisch. „Ich glaube diesem Statement nicht. Alles nur politische Kosmetik.“

Suhartos Worte sind nicht so ungewöhnlich, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheinen. Er liebäugelt schon länger damit, die Rolle eines Weisen auszufüllen, der im Hintergrund die Fäden zieht. Ein konkretes Datum nannte er allerdings nie. Vor der Bestätigung seiner siebten Amtszeit im März 1998 hatte seine Tochter Tutut, die kurz darauf Sozialministerin wurde, ihren Vater aufgefordert, sich mehr um seine Familie und weniger um Politik zu kümmern. Gleichzeitig drängte Suharto die Regierungspartei Golkar, für Äußerungen aus der Bevölkerung zu sorgen, wonach man ihn auffordere, im Amt zu bleiben.

Seine jetzige Taktik ist der Versuch, Reaktionen und Stimmungen zu testen und sich gleichzeitig alle Optionen offenzuhalten. Das erleichtert es ihm, später entschlossen zu handeln. Solche indirekten Äußerungen machte Suharto schon mal in diesem Jahr: bevor er sich offiziell für eine weitere Amtszeit nominieren ließ und den früheren Forschungs- und Technologieminister Bacharrudin Jussuf Habibie zu seinem Vize erkor.

Doch inzwischen schwinden seine Macht und sein Spielraum. Es kann deshalb auch nicht ausgeschlossen werden, daß der Diktator einem Gremium aus Militärs die Macht überträgt und sich selbst im Hintergrund hält. Dies würde ihm dadurch erleichtert, daß auch die Studenten inzwischen die Kontrolle über die Proteste verloren haben. Wochenlang demonstrierten sie friedlich in der Hoffnung, die Bevölkerung würde sich ihnen anschließen. Dies verhinderte das Militär. Jetzt haben die Proteste den Campus verlassen, und die Unzufriedenheit artikuliert sich in einem gewalttätigen Mob, der wild um sich schlägt. Zur Zielscheibe wird wieder einmal die chinesische Minderheit. Und es sind genau die antichinesischen Ausschreitungen, die dem Militär den Vorwand liefern könnten, das Kriegsrecht zu verhängen. Sven Hansen