Neue Industriejobs kommen, nur nicht im Inland

■ Ifo-Umfrage unter über 300 westdeutschen Industrieunternehmen zeigt: Bis 2002 ist keine Wende beim Personalabbau zu erwarten. Stellenzuwachs nur im Ausland geplant

Berlin (taz) – Wenn es um Prognosen für die Beschäftigungsentwicklung geht, spricht die deutsche Industrie offensichtlich mit gespaltener Zunge. Auf der einen Seite kündigen Verbandssprecher in den letzten Wochen die Wende an: Die Elektroindustrie rechnet in diesem Jahr mit 25.000 neuen Stellen, die Autoindustrie sieht 35.000, der Maschinenbau 20.000 neue Jobs. In der diesjährigen „Prognose 100“, die das ifo-Institut aus München heute veröffentlicht, findet sich diese Zuversicht nicht wieder. Der Trend unter 308 befragten westdeutschen Unternehmen der verarbeitenden Industrie ist eindeutig: Beim Personalabbau sei „bis zum Jahr 2002 noch keine Wende zu erwarten“, schließt der ifo-Bericht.

Laut „Prognose 100“ planen die Personalchefs der verarbeitenden Industrie für 1998 einen Stellenabbau von 1,5 Prozent. 1999 rechnen sie mit einem Prozent weniger Arbeitsplätzen und in den Jahren von 2000 bis 2002 immerhin noch mit 0,7 Prozent Stellenabbau. Der Sektor der Investitionsgüterindustrie, deren wichtigste Zweige Maschinenbau, Auto- und Elektroindustrie sind, macht da keine Ausnahme. Hier gehen die befragten Unternehmen von einem Stellenabbau von einem Prozent aus.

Betrachtet man die Jobprognose der Unternehmen für ihre Auslandsstandorte, drängt sich der Eindruck auf, daß die Verbandssprecher bei ihren vollmundigen Ankündigungen absichtlich unpräzise geblieben sind. Denn laut „Prognose 100“ rechnet die verarbeitende Industrie zwar mit einem Stellenauswachs: aber leider nur im Ausland. Knapp zwei Prozent mehr Stellen wollen die Firmen von 1998 bis 2002 dort schaffen. Dazu paßt ihre Umsatzerwartung. Im Ausland winken offensichtlich auch die besseren Geschäfte: Während sie dort in diesem Jahr mit einer Umsatzsteigerung von sieben Prozent rechnen, soll diese im Inland bei nur drei Prozent liegen.

Die befragten Firmen erwarten einen durchschnittlichen Anstieg des Umsatzes von real 2,6 Prozent in den nächsten fünf Jahren. Im selben Zeitraum soll die Produktion um zwei Prozent wachsen.

Impulse für den Arbeitsmarkt erwartet Kurt Vogler-Ludwig, Arbeitsmarktexperte am ifo-Institut, aufgrund der Umfrage nur von anderen Brachen. Beratung, Telekommunikation und Neue Medien, soziale Dienste sowie private Dienstleistungen in Freizeit und Bildung schafften derzeit neue Arbeitsplätze, bislang aber nicht genug, um den Stellenabbau in der Industrie zu kompensieren. „Auch wenn es eine bittere Wahrheit ist“, schließt Vogler-Ludwig, „Deutschland ist eindeutig auf einem Pfad der Deindustrialisierung.“ Niels Boeing