Geisterbahn mit netten Monstern

■ Mit Hang zur Schauerromantik: der Künstler Bjarne Melgaard

Bjarne Melgaards letzte Ausstellung im Stedelijk-Museum Amsterdam hatte etwas von einem Kindergarten nach einem Bombenangriff. Wild zusammengehauene Installationen aus allem, was die Trödler der fünf Kontinente hergeben, waren durch Kordel und Bänder mit den Bildern an den Wänden verbunden. Überwiegend grelle Zeichnungen von Plüschtier-Fratzen, die die Ausstellungsflächen des Museums überwucherten. Wenn ein Achtjähriger sich im elterlichen Wohnzimmer eine Geisterbahn zusammenbasteln würde, sähe es vermutlich ähnlich aus.

Die aktuelle Ausstellung Melgaards in Berlin bei Arndt & Partner macht dagegen einen vergleichsweise zahmen Eindruck. Die Gemälde und Zeichnungen hängen gerade an der Wand, und die einzige Installation im oberen Raum ist nicht mal mannshoch, dafür aber um so geisterbahntauglicher: eine nackte, männliche Wachsfigur mit Fledermauskopf, umgeben von Papier, Stoff und vertrockneten Blutorangeschlitzen – gekrönt von einem phallusartigen Kerzenstummel. Die zusätzlich eingearbeiteten Scham- und Achselhaare sind selbstverständlich echt.

Ein bißchen Galeristen-Voodoo also, umgeben von den schrill aquarellierten Zeichnungen. Putzige Koalabären, handzahme Hunde, Pinguine in Azurblau und drollige kleine Männerschwänze. Da bricht der Kindergarten dann zusammen, die Plüschtiere fangen an, hinterhältig zurückzuglotzen. Man wird plötzlich das Gefühl nicht los, von Triebtätern umgeben zu sein. Der Titel einer früheren Zeichnung lautet: „Some days all I see is cocks“. – Glücklicherweise bleibt dem Künstler an anderen Tagen genug Zeit, Bilder zu malen. Und das kann er. Bei aller gewollten Rotzigkeit, der Strich der Zeichnung steht auf dem Blatt, mit einer fast schon akademischen Qualität. Und die brutalen Farben der Ölgemälde machen in Beziehung zueinander Sinn, auch wenn sie so etwas Freundliches wie surfende Känguruhs darstellen.

Die vier großformatigen Ölbilder sind ohnehin die besten Arbeiten der Ausstellung. Eine gewagte, aber sicher beherrschte Pinselführung, eine gekonnte Komposition, teilweise mit collagierten norwegischen Nationalwimpeln, und ein Rausch an Schockfarben, die an den späten Asger Jorn erinnern. Nur daß sie sich – in der Reinkarnation von Melgaards Bildern – in den nächsten Techno-Schuppen verirrt haben. Aber den Farben scheint es dort gut zu gefallen.

Manchmal tauchen ganz zusammenhanglos des Künstlers Privatgötter in den Bildern und Zeichnungen auf: Wittgensteins Name neben einem leblosen, pinguinartigen Etwas, David Hockneys Swimmingpool links vom (gezeichneten) Mittelpunkt der Welt. Und bei einem früheren Südseeaufenthalt hat Melgaard mit Vorliebe Holzschnitte von Gauguin modifiziert, Mädchen aus Tahiti zu schwulen Lustknaben umgestaltet. Man munkelt sogar, er hätte eines Abends auf das Grab Gauguins onaniert – natürlich in freundschaftlicher Verbundenheit.

Melgaard selber ist ein freundlicher junger Mann um die Dreißig, der ganz und gar nicht aussieht, als hätte er im Alter von vier Jahren die Spaghetti mit Ketchup an die Eßzimmerwand geklatscht. Melgaard arbeitet an seinem eigenen Mythos. Und vielleicht ist sein schüchternes Auftreten nur die Strategie, seine Absichten zu verbergen, dem Publikum einen möglichst großen Projektionsraum zu bieten, der sich mit Legenden und Schauerromantik anfüllen läßt. Dazu gehört auch, daß der Künstler nach getaner Arbeit sein Hemd an einem Nagel in der Galerie befestigt hat. Florian Voß

Bjarne Melgaard noch bis zum 16. Juni bei Arndt & Partner, Auguststraße 35, Mitte