Der Vorhang wird voraussichtlich fallen

■ Die Freie Volksbühne in der Schaperstraße nahe dem Ku'damm steht vor der Schließung

Auf den Besuch von Theateraufführungen in der Freien Volksbühne müssen Kulturfreunde und Berlin-Touristen demnächst voraussichtlich verzichten. Die bekannte Spielstätte in der Schaperstraße nahe dem Ku'damm steht kurz vor der Schließung. „Ohne öffentliche Zuschüsse ist der Betrieb nicht aufrechtzuerhalten“, sagt Bernd Szittnick, geschäftsführender Direktor der Freien Volksbühne e.V. „Bis Ende Mai rührte sich im Senat nichts. Dem Großteil der Mitarbeiter mußte daraufhin zu Ende Juni gekündigt werden.“

Die Freie Volksbühne befindet sich im Besitz des gleichnamigen Vereins und zählt nach Expertenmeinungen zu den schönsten und vielseitigsten Spielstätten der Stadt. Das 1963 eröffnete Theater bietet Platz für über 1.000 Besucher und ist in „einem vorzüglichen Zustand“, so Alice Ströver, kulturpolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen. „Der Senat steht in der Verantwortung, das Haus zu erhalten.“ Insbesondere vor dem Hintergrund, daß die meisten der Theater im Ostteil der Stadt recht „marode“ seien und „innerhalb der nächsten zehn Jahre saniert werden müssen“, so Ströver. „Die Freie Volksbühne könnte dann auch als Ausweichstätte für die Osttheater dienen.“

Wie andere Theater hat die Freie Volksbühne jahrzehntelang Zuschüsse von der öffentlichen Hand erhalten. Höhepunkt waren 1991 knapp 14 Millionen Mark. Quasi von einem Tag auf den anderen wurden ab Januar 1993 sämtliche Zuwendungen gestrichen. Von 1993 bis 1997 wurde die Freie Volksbühne daraufhin an einen privaten Musical-Verstalter vermietet. Ein Flop: Die Lighthouse GmbH kam mit ihrer Produktion „Shakespeare & Rock 'n' Roll“ nicht aus den roten Zahlen heraus.

„Die Schließung der Freien Volksbühne wäre ein kulturpolitisches Desaster, vergleichbar mit einer Schließung des Schillertheaters“, sagt Torsten Maß, Stellvertreter des Intendanten der Berliner Festspiele GmbH. Die Berliner Festspiele GmbH hat Interesse daran bekundet, die Traditionsspielstätte als Mieter zu übernehmen. „Durch eine Akzentverschiebung unserer bisherigen Tätigkeiten könnten wir rund acht Millionen Mark aus unserem eigenen Etat aufbringen“, so Maß. „Um kostendeckend arbeiten zu können, wäre dann nur noch ein Zuschuß der öffentlichen Hand in Höhe von zwei Millionen Mark notwendig.“ Günstiger sei eine solch „einzigartige Spielstätte“ für die Hauptstadt nicht zu haben. „Wir warten jetzt auf einen Auftrag von der Politik“, sagt Maß. „Sollte die Freie Volksbühne endgültig geschlossen werden, stände für die Aufführung großer nationaler und internationaler Theatergastspiele lediglich noch das Schillertheater zur Verfügung.“

Die Berliner Festspiele GmbH organisiert unter anderem die Internationalen Filmfestspiele Berlin, das Theatertreffen Berlin sowie die Berliner Festwochen. Finanziert wird die Arbeit der Kulturveranstaltungsgesellschaft jeweils zur Hälfte vom Land und vom Bund. „Im Kulturetat stehen keine disponiblen Mittel zur Verfügung“, sagt Kerstin Schneider, Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur. „Die Kultursenatsverwaltung sucht aber weiter nach Möglichkeiten, der Freien Volksbühne zu helfen.“ Man darf gespannt sein, wie diese aussehen... Volker Wartmann