Analyse
: Kalter Rauch

■ US-Tabakkonzern verlor gegen Familie eines Lungenkrebstoten

Roland Maddox rauchte, seit er 16 war. Zwei Packungen Zigaretten jeden Tag. Erst 1995 gab er auf, mit 65 Jahren und zu spät: Vor einem Jahr starb er an Lungenkrebs. Zum Horror des Herstellers seiner Lieblingszigarette „Lucky Strike“. Denn ein Gericht in Jacksonville, Florida, urteilte vorgestern, daß Roland Maddox gestorben war an seiner „Lucky Strike“ – sonst nichts.

Nun muß die Firma Brown & Williamson Tobacco eine halbe Million Dollar Schmerzensgeld an die Maddox-Familie zahlen, und auch noch 700.000 Mark Strafe. Das ist die höchste Strafe, die bisher gegen einen Tabakkonzern in einer Einzelklage verhängt wurde. Brown & Williamson Tobacco, eine Tochter von BAT, gab sich „schockiert“, die Aktionäre auch: Prompt gab an der Wall Street der BAT-Kurs um 62 Cents nach, auch Marktführer Philip Morris verlor mehr als zwei Dollar pro Aktie. Denn genau das wollen die Tabakkonzerne ja verhindern: Daß nun jeder einzelne Raucher gegen die Konzerne erfolgreich klagen kann.

Darum hatten sie sich im vergangenen Juni auf einen Vergleich eingelassen und die atemberaubende Summe von 368 Milliarden US-Dollar angeboten, wenn der Staat der Industrie Schutz vor weiteren Klagen bringt – sprich: ein für alle mal Rechtssicherheit. Genau das aber haben die Washingtoner Politiker abgelehnt. Derzeit berät der Senat über einen Gesetzentwurf, der mittlerweile 500 Milliarden Dollar ohne Rechtssicherheit von der Industrie fordert.

Der Gesetzentwurf, der Schadenersatzfonds für die öffentlichen Kassen und Werbeverbote vorsieht, steckt inzwischen in der entscheidenden Phase. Er hätte eine generelle Verteuerung der Zigaretten um knapp zwei Mark zur Folge. Damit dies einkommensschwache Familien nicht zusätzlich belastet, brachten die Republikaner vorab eine Steuerkürzung durch den Senat. Denn sie wollen auf keinen Fall in den Verdacht kommen, mit dem Antirauchergesetz indirekt die Steuern zu erhöhen. Nun könnte das Antirauchergesetz schon kommende Woche den Senat passieren.

Vor einem Monat erst steckte die Tabakindustrie in einem Prozeß gegen den Bundesstaat Minnesota eine verheerende Schlappe ein, die das Werbeverbot für Minnesota schon vorwegnimmt. Noch schlimmer: Das Minnesotaer Gericht zwang die Industrie, interne Dokumente offenzulegen.

Denn auch in dem Prozeß in Jacksonville um Roland Maddox war das wichtigste Argument der Geschworenen, daß die Industrie systematisch die Folgen des Rauchens verharmlost hat. Die Akten werden noch mehr solche Belege dafür zutage fördern. Und die Aussichten für die Industrie schmälern, Schmerzensgelder von Kettenrauchern oder ihren Angehörigen abzuwenden. Matthias Urbach