Das Portrait
: Theatermann auf Schröder-Road-Show

■ Jürgen Flimm

Ein wenig Bundestrainer ist in diesen Tagen jeder. Aber während unsereiner über Thon oder/und Matthäus grübelt, bastelt sich Kanzlerkandidat Gerhard Schröder ganz andere Mannschaftsaufstellungen zusammen. Als eine Art technischen Direktor holte er kürzlich Jürgen Habermas auf die Bühne des Willy-Brandt- Hauses in Berlin, jetzt nahm er den Hamburger Theatermann Jürgen Flimm in seinen Kader auf. Nicht als Spielmacher und Kulturbeauftragten allerdings, sondern nur als kulturpolitischen Berater. Ein symbolischer Schulterschluß, bei dem sich alle treu bleiben und der allen nutzt: Schröder profitiert von Flimms Image als kritische Integrationsfigur, und Flimm geht in die Politik, ohne allzu parteilich zu werden.

Ohnehin ist Jürgen Flimm kein Mann, der Fehler macht. Die Auslastung seines Theaters ist bestens, und mit Brechts „Baal“, Shakespeares „Wie es euch gefällt“ und dem „Gestiefelten Kater“ ist für jeden was dabei. Wenn Flimm im Jahr 2000 das Theater nach fünfzehn Jahren verläßt, können die Zeiten dort nur unruhig werden. Als klassischer 68er hat der 1941 in Gießen geborene Flimm Soziologie studiert und seine Theaterkarriere im Jahr des Aufruhrs an den Münchner Kammerspielen begonnen. Anders als der in der Revolte wie in der Repräsentation zur großen Geste drängende Peter Stein, der im gleichen Haus startete, neigte Jürgen Flimm immer stärker dem Soliden, Beständigen zu.

Mit hoher Einschaltquote ist der Bundesverdienstkreuzträger im politischen Diskurs präsent, sucht dabei aber stets den Weg der Verständigung. Seine Theaterarbeit handelt von den Brüchen der bürgerlichen Gesellschaft, womit er genau diese Gesellschaft aber auch bedient.

Und weil er für Schröder Sympathie hegt, aber unabhängig bleiben will, ist Flimm jetzt bei der Schröder-Road- Show mit dabei, will aber abspringen, wenn es ernst wird. Statt nach einem SPD-Wahlsieg den Bundesbeauftragten für Kultur zu mimen, bereitet er sich für die Neuinszenierung des „Ring des Nibelungen“ im Jahr 2000 in Bayreuth vor. Ein paßgenaues Pensionistenprogramm. „Beweise, daß du existierst!“ könnte man mit Christoph Schlingensief dazwischenrufen, für den ja jetzt noch ein Posten vakant wäre. HN/peko