Durchs Dröhnland
: Mutantrumpetsamples

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Kitty-Yo ist immer noch locker das schickste Plattenlabel unserer schönen Stadt – und ein gutes Argument, wenn man in Hamburg in eine Diskussion verstrickt wird. So erfolgreich werden hier die Nahtstellen zwischen Elektronik und Instrumentellem, Experiment und Pop abgetastet, daß es sich langsam sogar finanziell lohnt. Die neueste Errungenschaft von Kitty-Yo heißt Forkefeld. Das Quintett aus Dresden verzichtet auf Gesang und läßt es andauernd entspannt blubbern. Wenn Musik jemals ein Teppich war, dann ist sie es hier, und das im besten Sinne: Weiche Gitarrenfiguren, die sich penetrant wiederholen, ein Schlagzeug, das selbst beim angedeuteten Solo kaum aus sich herausgeht, darüber kürzeste Melodiebögen, eine Idee dort, die hier sofort wieder verworfen wird. So geht das ewig, bis man ganz eingeschläfert ist. Oder (wahlweise) der leistesten Tonfolge gedankenverloren hinterherspürt. All das und noch viel mehr passiert. Bläser auch mal, aber das ist nicht der Punkt. Alles passiert einfach so, als wäre es das Selbstverständlichste, als wäre Jazz plötzlich Pop und Pop tatsächlich das, worauf man all die Jahre gewartet hat.

10.7., 21 Uhr, Privat Club, im Keller der Kleinen Markthalle, Pücklerstraße 34, Kreuzberg

Auf die Love Parade gehen ja angeblich nur noch Touristen, aber in den Clubs ist endlich das los, was Berlin als selbsterklärte Technohauptstadt glaubt sich selbst schuldig zu sein. Für Ben Neill ist der Anlaß gerade angemessen für den einzigen Auftritt in Deutschland. Allerdings ist der New Yorker kein DJ im inzwischen ja schon klassischen Sinne, sondern vor allem Erfinder, Bauer und einziger Virtuose eines Instruments namens Mutantrumpet. Das verbindet eine Trompete mit einem Computer und bietet so einen wesentlich anderen Zugang zu den Möglichkeiten des Samplings. Die Modulationen des Trompeters können so auf quasi jeden Sound, der im Sampler gespeichert ist, übertragen werden. Auch wenn er sich inzwischen recht flotte Beats programmiert, hat Neill doch bei la Monte Young studiert, dem großen und inzwischen auch recht alten Mann der US- Avantgarde. Aber Berührungsängste kennt Neill eh nicht: Für seine letzte Platte engagierte er Page Hamilton, Gitarrist bei Helmet, ebenso wie Illbient-Erfinder DJ Spooky oder die Cellistin Jane Scarpantoni, die bisher für Lounge Lizards und R.E.M. tätig war.

11.7., spät halt, Kalkscheune, Johannisstraße 2, Mitte

Die ungefähr letzte Crossover- Hoffnung des Blues ist Keb' Mo', der unter seinem bürgerlichen Namen Kevin Moore bereits 1980 ein völlig untergegangenes Debut veröffentlichte. Seitdem weint seine Gitarre sanft und seine Stimme kreist voller Soul um die meist einschlägigen Themen: Verlorene Liebe, Einsamkeit, neues Glück. Moore selbst gibt offenherzig zu, daß seine Musik „schon ein bißchen glatt“ ist. Viele seiner Songs würden in einem normalen Dudelradio nicht auffallen, dazu läßt er sich schon mal von Bonnie Riatt oder Jackson Browne musikalisch unterstützen. Andere Lieder wiederum sind so vorsichtig tastend, zerbrechlich und spröde wie gutes Blues sein sollte. Keb' Mo' hat begriffen, „daß der Blues in den letzten Jahren stagniert hat“, aber ebenso hat er verstanden, daß er ohne Authentizität auch nicht denkbar ist, auch wenn diese eh fragwürdige Kategorie bei ihm endgültig zu einer leeren Imageformel verkommt. Was bleibt ist wunderschöne, entspannte Musik, wenn auch vielleicht nicht gerade die Zukunft des Blues.

13.7., 20 Uhr, Großer Sendesaal des SFB, Masurenallee 8–14, Charlottenburg

Allzuviel sagt uns das heute nicht mehr, aber retrospektiv kann man eigentlich nie ausreichend die Verdienste von Voivod würdigen. Das kanadische Trio leistete lange, lange Jahre lang Pionierarbeit, was die Verwendung von Gitarren in ihrer bösesten Klangform betraf. Sie waren mitverantwortlich dafür, daß der Metal zumindest eine gute Weile lang den Klauen von Stretchjeansträgers mit langen Locken entrissen wurde. Dazu bedienten sie sich Strukturen, die man mit etwas gutem Willen als Jazz bezeichnen konnte, und einer Attitüde, die problemlos als Punk durchging. Das Ergebnis war und ist noch heute ebenso fisselig wie brutal, wohl durchdacht wie anarchisch, intellektuell wie archaisch. Es ist Metal in seiner weitest vorangetriebenen Ausformung, und deshalb steckt das ganze Genre ja auch in einer Sackgasse. Das kann man bei Voivod sehr deutlich hören, wenn auch auf allerhöchstem Niveau.

14.7., 21 Uhr, Huxleys Junior, Hasenheide 108, Neukölln

Aus dem CD-Inlet Platte gucken Madball unter tief in die Augen gezogenen Strickmützen böse hervor. Auch ihr Hardcore arbeitet mit leicht durchschaubaren Stilmitteln, aber das ist ja meistens nicht so schlecht, wenn es sich um Musik handelt, die davon lebt, aus Gitarre, Bass und Schlagzeug immer nur wieder dieselbe Wut rauszuholen. Die Variationen sind da einschränkt. Die vier New Yorker geben sich da von vornherein geschlagen und versuchen statt dessen, alles etwas einfacher zu halten. Anstatt wie der Großteil der Kollegen möglichst schnell, möglichst laut und möglichst heftig zu agieren, arbeiten Madball eher mit Transparenz. Bei ihnen hört man jedes Gitarrenriff, jedes Keuchen des Basses und jedes Rumpeln des Schlagzeugs einzeln. Der Vorteil ist, daß so die Texte, auch wenn sie die üblichen Hardcore-Platitüden nur unwesentlich variieren, besser zur Geltung kommen. Noch ein bißchen was zusätzlich haben Ryker's aus Kassel vom Metal gelernt: Nämlich, daß es immer noch etwas stumpfer geht. Und zum zweiten, daß herausgepreßter Kettenrauchergesang seine Schönheiten haben kann – auch wenn sie den meisten verborgen bleiben mögen.

16.7., 20 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Thomas Winkler