Afghanistan bald TV-frei

■ Taliban verbieten TV- und Videogeräte, weil sie zu „moralischer Korruption“ führen

Berlin (taz) – Die Taliban, Herrscher über drei Viertel Afghanistans, wollen jetzt das vor knapp zwei Jahren ausgesprochene Filmverbot rigoros durchsetzen. Maulana Kalamuddin, der als Hardliner berüchtigte Vizechef der jüngst zum Ministerium aufgewerteten „Abteilung zur Verhinderung des Lasters und zur Förderung der Tugend“ – der Religions- und Sittenpolizei – begründete dies am Mittwoch über „Radio Scharia“ damit, daß Filme und Musik „zu moralischer Korruption“ führten. Binnen zwei Wochen müssen die AfghanInnen jetzt alle noch vorhandenen Fernsehgeräte, Videorecorder und Satellitenantennen abgeben. Danach drohen Hausdurchsuchungen, von denen die Taliban wiederholt Gebrauch machten.

Die Chance, in die Glotze zu sehen, war in Afghanistan ohnehin seit 1996 erheblich gesunken. Damals schlossen die Taliban den einzigen Fernsehsender und alle Kinos. Sämtliche Filmbestände wurden öffentlich verbrannt. Aber einige Familien besaßen noch Videogeräte und -kassetten mit beliebten Hindi-Musik- oder Urdu- „Wild-Ost“-Filmen, deren Übertragung im afghanischen Fernsehen zur Primetime Donnerstagabend (entspricht unserem Samstag) bis 1992 Straßenfeger waren. Auch einige teilweise selbstgebaute Satellitenanlagen waren noch in Betrieb. Beides konnte aber nur genutzt werden, wenn die ohnehin nur stunden- und stadtviertelweise arbeitende öffentliche Stromversorgung funktionierte.

Zuvor waren die Bedingungen für die internationalen Hilfsorganisationen verschärft worden. Ihre Mitarbeiter sollen geschlossen in das frühere Polytechnikum am Nordrand der Stadt ziehen. Das Gebäude verfügt weder über intakte Fenster noch eine Heizung. Damit soll eine als negativ betrachtete westliche Einflußnahme auf die Bevölkerung unterbunden werden. Thomas Ruttig