Mon Dieu Mondial
: Ich bin bereit!

■ Leute, die den Mund aufmachen, wurden bisher ausgebootet. Das muß anders werden

Dies ist eine dringende Wortmeldung zur Debatte „Na, wo sind denn nun die deutschen Talente?“. Ich bin ein Opfer. Ich weiß Bescheid. Ich war ein solches Talent, und deutsche Fußballehrer haben mich versaut.

Erinnern Sie sich noch an 1990? Franz Beckenbauer, die Lichtgestalt? „Wenn wir jetzt noch die Spieler aus der ehemaligen DDR dazubekommen, werden wir auf Jahre hin unschlagbar sein“, hat er nach dem WM-Sieg gesagt. Ich war ein Spieler in der DDR, und ich bin nicht dazugekommen, sondern nur solche Kehrmaschinen wie Steffen Freund oder Sven Kmetsch. Ich hätte dem deutschen Fußball helfen können.

Meine Fußballkarriere ist exemplarisch für Deutschland und seinen Niedergang.

Meine Stationen hießen BSG Energie Cottbus, BSG Lokomotive Cottbus, und das war's dann auch schon. Anfangs wurde ich gelegentlich als rechter Verteidiger eingewechselt, am Ende als Mittelstürmer häufig ausgewechselt. Hin- und hergeschoben wegen der vermeintlichen Taktik von „Übungsleitern“, so hieß das damals, und das sagt ja wohl schon alles. Meine feine Übersicht, meine Fähigkeit zum antizipierenden Spiel wurden nicht honoriert. Ich war ein Mischung aus Hagi und Basler – vom Läuferischen her, und das war mein erstes Verhängnis. Das zweite kam dazu, als mir meine Eltern nicht erlaubten, auf eine Fußballschule zu gehen. So kam ich auf eine normale Erweiterte Oberschule, fing an, Fleischerhemden zu tragen und nach den ersten Dorf-Blues-Nächten zu den sonntäglichen Punktspielen um 10 Uhr vormittags zu spät und noch nicht nüchtern zu erscheinen. Das mochten Übungsleiter nicht. Sie wollten und wollen 20jährige Ballermänner, die auf die Frage „Wer ist Ihre Traumfrau?“ antworten: „Die sitzt bei mir zu Hause.“

Ich für meinen Teil habe auch damals schon den Mund aufgemacht wie heute Stefan Effenberg, und man sieht ja, wir waren beide nicht in Frankreich. Ich zum Beispiel habe immer gesagt, wenn es ans 20 Stadionrunden rennen ging: Das ist doch sinnlos! Und: Ich kann nicht mehr! Lieber Paul Breitner, Sie haben recht: Der Ball ist des Deutschen größter Feind. Spieler wie ich, die eine eigene Meinung hatten und deren größter Feind die Aschenbahn war, wurden ausgebootet. Der deutsche Fußball bringt so nur noch Fußballer hervor, die rennen, aber nichts mehr sagen können. Und wer nichts zu sagen hat, gewinnt auch nicht. Unser Leitwolf Matthias Sammer hat auf die Frage zum Abschneiden unserer WM-Elf geantwortet: „Zu diesem Thema gibt es von mir keinen Kommentar.“ Das muß man sich mal vorstellen! Alle Experten haben richtig bemerkt: Mit deutschen Tugenden ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Wir brauchen Charakter, Individualität, Ausdrucksstärke. Wir alle haben es erkannt, und ich habe es hier auf den Punkt gebracht. Weil ich am eigenen Leibe erfahren mußte, wie das ist, in Fußballdeutschland. Ost oder West. Ich denke, ich sollte mit diesen Erfahrungen eine wichtige Rolle beim Neuaufbau der deutschen Mannschaft spielen.

Und außerdem habe ich letztens beim Hallenfußball mit den Kollegen von der Aufnahmeleitung des Mitteldeutschen Rundfunks ein wunderschönes Tor geschossen: Von der Mittellinie abgezogen, direkt ins rechte, obere Eck. Baslermäßig.

Kurz gesagt: Deutschland, ich bin bereit! Andreas Lehmann

Der Autor wurde beim Studentenfußball an der Karl-Marx-Universität Leipzig auch die „Schwarze Gazelle“ genannt – schwarzer Trainingsanzug, feine Technik