„Ein schwerer Schlag für die Atomlobby“

■ Michael Müller, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, ist überrascht von Stoibers Absage an neue AKWs, schließlich sei der „wie ein Kreuzritter für Atomkraft aufgetreten“

taz: Herr Müller, der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hat definitiv klar gemacht, in Bayern würden keine neuen Atomkraftwerke gebraucht und sicherlich auch keine mehr gebaut.

Michael Müller: Ich konnte das zuerst nicht glauben, und es klingt auch sehr opportunistisch, denn es steht im Widerspruch zu der bisherigen Haltung von Herrn Stoiber, der ja wie ein Kreuzritter für die Atomkraft und insbesondere für die Firma Siemens aufgetreten ist. Ich hoffe, daß das kein Versehen ist. Denn wenn er es ernst meint, dann muß jetzt auch der zweite Schritt kommen, nämlich der Einstieg in eine umweltschonende und effiziente Energieversorgung.

Warum macht Stoiber das?

Ich habe den Eindruck, daß das auch die Angst vor den Freien Wählergemeinschaften ist. Die würden bei einem Pro-Atom-Kurs der Landesregierung gestärkt, was die CSU ihre absolute Mehrheit kosten könnte. Aber es ist trotzdem ein bemerkenswerter Einschnitt, wenn er das auch durchhält. Es widerspricht allen seinen bisherigen Aussagen, und die Atomlobby erleidet dadurch einen schweren Schlag. Zumal am Mittwoch noch der Siemens-Chef Heinrich von Pierer erklärt hat, die ganze Debatte über die Atomtransporte sei nur eine vorübergehende Aufregung gewesen und der neue Hochtemperaturreaktor quasi einsatzbereit. Sie sehen: Die setzen noch voll auf Stoiber.

Ist das nun der endgültige Einstieg in den Ausstieg?

Aus meiner Sicht markierte schon Tschernobyl eine Wende, spätestens die Verseuchungen und Geheimhaltung bei den Atomtransporten. Aber jetzt müssen auch die Konservativen zugeben, daß die Atomkraft keine Zukunft mehr hat. Nach dieser Aussage von Herrn Stoiber sind neue Atomkraftwerke auch im Rest der Republik nicht mehr durchsetzbar.

Hat die neue Linie aus Bayern auch Konsequenzen für die Haltung der SPD?

Ich hoffe, daß sich nun diejenigen mutiger zeigen, die bisher zu vorsichtig über den Ausstieg diskutieren. Es gibt zu viele in meiner Partei, die noch immer ein „aber“ an ihr „ja“ zum Ausstieg anhängen.

Beeinflußt das auch die Fristen, die in der SPD diskutiert werden?

Ich meine, wir müßten aufhören, abstrakt über Fristen zu reden, sondern wirklich alles tun, um so schnell wie möglich auszusteigen.

Das widerspricht aber dem Kurs von Schröder.

Da bin ich nicht sicher – er müßte aber in jedem Fall noch klarer stellen, was er mit den 25 Jahren genau meint. Die Ausstiegsfrist oder die Gesamtlaufzeit der AKWs.

Interview: kw/urb