Geheimnisvolle grüne Schlieren

■ Der Wind hat die wegen der Hitze schnell wachsenden Algen einstweilen auf den Wannsee hinausgetrieben. Die Grünen fordern regelmäßige Messungen und Warnungen an die Bevölkerung. Die Gesundheitsverwaltung wil

Die Gefahr verflüchtigte sich mit dem Wind – oberflächlich betrachtet jedenfalls. Der grüne Algenteppich, der sich über das Wochenende im Freibad Wannsee gebildet hatte, trieb in den vergangenen Tagen dank „ablandigen Windes“ vom Strand weg, stellte Badebetriebsleiter Horst Schwabe gestern fest. „Da haben wir nochmal Glück gehabt.“ Das „ästhetische Problem“ ist also zunächst gelöst. Für Entwarnung besteht jedoch kein Anlaß: Beim nächsten Windrichtungswechsel kann die Situation anders aussehen.

Seit der Hitzewelle am Wochenende haben die Blaualgen wieder Hochkonjunktur in Berliner Gewässern. Bereits im letzten Jahr versauten diese winzigen Bakterien, die die Wissenschaft als „Algen“ bezeichnet, den Bürgern die wohlverdiente Erfrischung.

Der Grund für die gebotene Vorsicht: Einige Blaualgen können Giftstoffe enthalten. Diese Cyanotoxine reizen Haut, Augen und Schleimhäute und können Magen- Darm-Beschwerden und Fieber verursachen, stellte im letzten Jahr das Umweltbundesamt fest. Vorausgesetzt, man nimmt einen kräftigen Schluck des algenverseuchten Wasser zu sich.

„Kleine Kinder reagieren auf die Blaualgen besonders empfindlich“, warnt Roswitha Kröger vom Landesamt für Gesundheitsschutz. Ebenso sollten sich Allergiker und Menschen mit empfindlicher Haut vor den Bakterien vorsehen.

Besonders blaualgenbehaftet sind Unterhavel, die Dahme-Gewässer und der Müggelsee. Im Grunde ist jedoch jeder nährstoffreiche See gefährdet. Eine hohe Konzentration von Wärme, Licht und Nährstoffen bieten ideale Lebensbedingungen für die Bakterien. Vielfältig ist auch deren Auftreten: Meist schweben sie fein verteilt im Wasser, das dadurch grün und sehr trüb aussieht. Häufig werden sie aber auch durch den Wind zu dichten Teppichen zusammengetrieben.

Mit der neuen Blaualgenplage wird auch in diesem Jahr der Streit um ihre Gefährlichkeit wieder neu entfacht. Der Umweltsprecher der von Bündnis 90/Die Grünen, Hartwig Berger, wirft der Gesundheitsverwaltung einen „leichtfertigen Umgang mit der Blaualgenpest“ vor. Allerdings fordert auch er kein generelles Badeverbot, sondern Warnungen an die Bevölkerung. Sein Hauptvorwurf an die Gesundheitsverwaltung: Wochenlang wurden keine Blaualgenmessungen vorgenommen. Ergebnisse einer ersten Untersuchung sollen nun in der nächsten Woche vorliegen.

Diese Messungen hält Roswitha Kröger vom Landesamt für Gesundheitsschutz hingegen für nicht erforderlich: „Intensive Ortsbesichtigungen sind wesentlich sinnvoller.“ Je nach Windlage könne sich die Blaualgenkonzentration an den verschiedenen Stellen eines Sees stündlich verändern. Das hinge auch von den Turbulenzen im Wasser ab. „Manchmal bringt es auch etwas, einfach nur 50 Meter weiter zu gehen.“

Deshalb setzt Hartwig Berger in erster Linie auf Aufklärung. Die Leute sollen auch selbst schauen, ob Algen im Wasser schwimmen: „Wenn grünliche Schlieren vorhanden sind, dann sollten sie auch nicht ins Wasser gehen.“ Dazu müßte die Bevölkerung allerdings zunächst einmal auf dieses Problem aufmerksam gemacht werden. Ahnungslosigkeit macht schließlich unbekümmert.

„Solange es nicht juckt, gehe ich noch ins Wasser“, erklärt Elvira P. und steckt schon mal den Fuß in die Krumme Lanke. Am Dienstag abend seien ihr die Algenteppiche aufgefallen. Aber: „Von der Gefährlichkeit der Blaualgen hatte ich keine Ahnung.“ Renate P. ist da schon besorgter. Sie würde bei konkreten Warnungen durchaus auf ihr Badevergnügen verzichten, doch „es dringt ja nichts an die Öffentlichkeit“.

Die Gesundheitsverwaltung reagiert deswegen inzwischen mit guten Ratschlägen: Badende sollten nach dem Baden ihre Badehosen wechseln und vor allen Dingen: „Duschen, wo immer die Möglichkeit dazu besteht“.

Horst Schwabe vom Strandbad Wannsee hat hingegen mit den Blaualgen persönlich kein Problem. „Die sind doch nicht gesundheitsschädlich“, behauptet er. Viel problematischer sei der häßliche Anblick. Der Großteil seiner Badegäste sieht das ähnlich. Nur die ersten Badegäste, die am Wochenende morgens schon sehr früh zum Strand strömen, „reagierten komisch“ auf die Algen. Das ändere sich aber mit dem ersten Badebetrieb, so Schwabe. „Sobald das Wasser so richtig umgerührt wird, kümmert sich kein Mensch mehr drum.“ Corinna Budras