■ Die Anderen
: "Der Bund" widmet sich der Politikverdrossenheit der Deutschen / Über den Ausgang der Bundestagswahl schreiben "Standard" und "Financial Times" / Zu einem möglichen Militäreinsatz der Nato im Kosovo schreibt "La Repubblica"

Die Berner Zeitung „Der Bund“ widmet sich der Politikverdrossenheit der Deutschen: Wer sich bei deutschen Bürgern nach den Wahlen erkundigt, erntet Achselzucken. Viele glauben bestenfalls das kleinere Übel wählen zu können. Unterschiede zwischen den großen Parteien vermögen sie kaum zu erkennen. Schröders Schatten-Wirtschaftsminister ist ein Wirtschaftsliberaler. SPD-Schatten-Innenminister Otto Schily – einst Strafverteidiger linker Terroristen – profiliert sich mit Forderungen, Gesetzesbrecher härter zu bestrafen. Die politischen Ideologien haben ausgedient. Wenn alle bedeutenden Parteien für politischen Pragmatismus, Marktwirtschaft, Umweltschutz und Sozialstaat eintreten, ist der Zustand erreicht, den der US-Politologe Fukuyama einst als Endpunkt der Geschichte beschrieben hat. Ab diesem Punkt gibt es nur noch Personalentscheide, keine Politik mehr.

Der Ausgang der Bundestagswahl ist wieder offen, meint der Wiener „Standard“: Schien vor wenigen Wochen eine Ablösung der konservativ-liberalen Bundesregierung durch eine rot-grüne Koalition sicher, so sind der SPD mittlerweile Siegesposen vergangen. Der wirtschaftliche Aufschwung und die tendenziell sinkenden Arbeitslosenzahlen bringen Rückenwind für die Bonner Regierung. Kohl oder nicht Kohl, das war bisher die zentrale Frage. Bei Helmut Kohl wissen die Deutschen zumindest, woran sie sind. Der Wunsch nach Stabilität kann wahlentscheidend sein. Dafür spricht, daß in der Bundesrepublik noch nie eine Regierung abgewählt worden ist.

Auch die britische „Financial Times“ sieht keinen Grund, Kohl abzuschreiben: Kohl ist ein skrupelloser politischer Taktiker. Er wird jede erkannte Schwäche gnadenlos ausnutzen, und ihm kommt dabei zugute, daß das Duo Schröder/Lafontaine eine instabile Kombination ist. Sie müssen selbst mit einigen klaren Antworten aufwarten – und dazu gehört ein effektives Steuerreformpaket –, wenn sie siegen wollen.

Zu einem möglichen Militäreinsatz der Nato im Kosovo schreibt „La Repubblica“ aus Rom: Auch wenn die Kriegsmaschinerie der Nato die Motoren warmlaufen läßt, eine Intervention bleibt vorerst unwahrscheinlich. Die Probleme auf militärisch-technischer Ebene wären enorm. Kosovo ist nicht Bosnien. Dort stehen sich keine Armeen gegenüber, und der Konflikt, meist Mikrokonflikte, dehnt sich inzwischen auf mehr als 50 Prozent des Territoriums aus. Oft wird in kleinen Dörfern mit wenigen hundert Einwohnern gekämpft. Deshalb müßten Zehntausende Männer eingesetzt werden. Und deshalb wirkt die Drohung der Nato wie eine Art Bluff. Wie ein neuer Vorstoß, um Milošević einzuschüchtern. Nur daß Milošević dieses Spiel kennt, besser als jeder andere in Europa.