Hitzschlag im Biergarten

Heiße Sommer, verbrannte Wälder, ausgetrocknete Flüsse in Bayern: Erstmals berechneten Klimaforscher den Treibhauseffekt für eine deutsche Region im Detail  ■ Von Matthias Urbach

Die August-Temperaturen in Bayern steigen auf deutlich über 40 Grad, seit Wochen fällt kaum Regen, Äcker sind vertrocknet, durch den Bayerischen Wald fressen sich kilometerlange Feuerschneisen, in Münchens Biergärten fallen die Gäste mit Hitzschlag vom Stuhl. Wasserkraftwerke liefern keinen Strom mehr, weil die Stauseen leer sind, kleinere Flüsse sind nicht mehr schiffbar. Wir schreiben das Jahr 2078, und der Menschheit ist es nicht gelungen, den Ausstoß von Treibhausgasen einzudämmen.

Dieses Szenario entspringt den Modellrechnungen des Fraunhofer-Instituts für Atmosphärische Umweltforschung in Garmisch- Partenkirchen. Erstmals rechneten dort Klimaforscher die großen globalen Klimamodelle auf das Kleinklima einer deutschen Region herunter. „Die globale Klimaänderung ist eine Sache“, sagt Institutsleiter Wolfgang Seiler. „Was uns interessiert, sind die regionalen Änderungen in Bayern.“ Während die globalen Modelle mit einem Raster von 250 mal 250 Kilometern Größe kalkulieren, rechneten die Forscher die Daten für Bayern auf eine Auflösung von einem mal einem Kilometer herunter. So läßt sich das Wettergeschehen bis auf kleine Gebirgstäler auflösen.

Das neue Modell wurde zunächst an dem bisherigen Klima in Bayern überprüft. Als die Forscher das Computermodell in die Zukunft hineinlaufen ließen, glaubten sie zunächst an einen Fehler. „Die Temperaturen werden entgegen dem globalen Trend im Sommer stärker zunehmen als im Winter – eine überraschende Entdeckung“, erzählt Seiler. Die Forscher überprüften das Programm, das auf dem Modell des Hamburger Klimarechenzentrums beruht, und fanden keinen Fehler. Wenn der Ausstoß von Kohlendioxid weiter so ansteigt wie in der Vergangenheit (rund ein Prozent pro Jahr), würden demnach die Wintertemperaturen in der zweiten Hälfte des kommenden Jahrhunderts um ein Grad ansteigen, im August aber um bis zu sechs Grad.

Auch die Niederschläge sagen die Forscher voraus: Erstmals kann ein Modell überhaupt etwas über die Gewitterhäufigkeit sagen, weil Donner und Blitz in sehr kleinen Gebieten von wenigen Quadratkilometern auftreten. Nach der Modellrechnung nimmt der Regen im Sommer ab und fällt außerdem verstärkt in Form von heftigen kleinen Gewittern – dann kann der Boden das Wasser nicht mehr vollständig aufnehmen.

So werden die Böden im Sommer allgemein trockener, der Grundwasserspiegel sinkt ab. An das trockene Klima sei die bayerische Vegetation nicht angepaßt. „Besonders unsere Fichten-, Tannen- und Kiefernwälder reagieren darauf sehr empfindlich“, sagt der Institutschef Seiler. „Und es gäbe mehr Waldbrände“ – so heftig, wie man sie nur aus den Mittelmeerländern kenne und gerade bei Athen gesehen habe. Im Winter würden mehr Niederschläge in Form von Regen fallen und nicht als Schnee noch eine Weile liegenbleiben. Im Frühjahr könnten die Stauseen wahrscheinlich die Wassermengen nicht mehr speichern und würden dafür im Sommer leerlaufen. Die Vorhersage der Niederschläge sei aber im Gegensatz zu den Temperaturberechnungen noch mit größeren Ungenauigkeiten behaftet, schränkt Seiler ein.

Die regionale Studie zeigt, daß im Klimawandel einige Überraschungen lauern. Grund für die extremen Sommertemperaturen ist Seiler zufolge die Ausweitung des für das Sommerwetter so wichtigen Azorenhochs: „Das weitet sich nach Norden aus.“ Die Tiefs würden von Süddeutschland weg über Norddeutschland nach Skandinavien abgelenkt. Bayern kommt so mehr in den Einfluß des Azorenhochs, daraus resultieren mehr Ostwind und mehr trockene, kontinentale Luft. Die Folge: „Weniger Niederschlag und höhere Temperaturen.“ Trotz seiner Studien ist Seiler zuversichtlich, daß das Szenario nicht eintreten muß: „Wir haben genügend Möglichkeiten, das Kohlendioxid zu vermeiden.“ Kommentar Seite 10