Eine Spezialistin steht Bill Clinton zur Seite

Über ein Amtsenthebungsverfahren weiß eine Frau im Weißen Haus mehr als alle anderen: Hillary Rodham Clinton  ■ Von Thomas Rüst

Washington (taz) – Falls es in den nächsten Wochen oder Monaten zu einem Amtsenthebungsverfahren („Impeachment“) kommen sollte, kann Präsident Bill Clinton im Weißen Haus auf eine ausgewiesene Spezialistin zurückgreifen. Niemand anderes als Hillary Rodham war es nämlich, die 1974 als Mitarbeiterin im Stab von Joan Doar, dem „Ankläger“ der Justizkommission, die alles entscheidende Frage zu bearbeiten hatte. Die damals 26jährige Juristin und heutige First Lady wurde von Doar beauftragt zu klären, an welchen Maßstab ein amerikanischer Präsident zu messen sei, falls es zu einem Amtsenthebungsverfahren kommen würde.

Weil Richard Nixon vor Beginn des parlamentarischen Verfahrens im Repräsentantenhaus zurücktrat, hatte die Studie damals keine aktuelle Bedeutung erlangt. 24 Jahre später jedoch sind es insgesamt 16 Fälle von durchgeführten Amtsenthebungsverfahren, die sich zum Vergleich mit dem Fall Clinton heranziehen lassen. Dabei zeigt sich, daß es keine objektiven Kriterien für die Frage gibt, welches Fehlverhalten zur Entfernung aus dem Amt führen kann.

Unter den 16 Fällen ist nur ein US-Präsident aufgeführt, der je ein Impeachment durchzustehen hatte, der am Ende im Senat jedoch wegen einer fehlenden Zweidrittelmehrheit (eine Stimme fehlte) davonkam. Andrew Johnson sollte 1868 aus dem Amt gejagt werden, weil er sich nach dem Sezessionskrieg zwischen Nord und Süd geweigert hatte, Kompetenzen abzugeben, und dies mit der Entlassung seines Kriegsministers testen wollte.

Eine solche politische Motivation für ein Impeachment wäre heute undenkbar. Deshalb sind die Gründe, mit denen Richter aus ihren Ämtern entfernt wurden, im Fall Clinton möglicherweise aussagekräftiger. Unter den 16 Fällen ist ein Dutzend auf Lebenszeit gewählte Richter zu finden, die wie der US-Präsident (oder sein Vize) mit einem Impeachment belegt werden können.

So stolperte ein Bundesbezirksrichter namens Halsted Ritter 1936 über ganze 4.500 Dollar eines unstatthaft eingestrichenen Honorars. Jahre später erwischte es Harry Claiborne wegen Steuerhinterziehung. Andere wurden wegen Trunkenheit aus dem Amt gejagt oder wegen Begünstigung.

1989 schließlich gab es ein Impeachment gegen Alcee Hastings wegen eines Delikts, das im Zusammenhang mit Clintons Aussagen zur Lewinsky-Affäre heute häufig genannt wird: Meineid.

Die Frage, die die Juristin Hillary Rodham Clinton heute zu beantworten hätte, lautet mithin: Gelten im historischen Vergleich für einen Präsidenten andere Kriterien als für andere, dem Impeachment-Mechanismus ebenfalls unterworfene Amtsträger? Wenn ja, ist die historische Vergleichsbasis schmal, da der Fall Andrew Johnson kaum für die aktuelle Diskussion taugt. Sollte die Antwort hingegen nein heißen, dann ist das Verdikt der Geschichte klar: Wer immer ein Amt ausübt, das ein Impeachment zuläßt, der muß damit rechnen, wegen vergleichsweise geringer Vergehen in die Bredouille zu kommen. Sex war bisher zwar kein Anlaß für eine Amtsenthebung, aber eine Menge anderer Tatbestände, die allesamt nicht in die Kategorie „schwerer Verbrechen“ fallen.