Ein lustiger Australier mit einem traurigem Los

■ Patrick Rafter und Pete Sampras spielen in New York das beste Tennis: Morgen ist Showdown

New York (taz) – Jonas Björkman ist ein lustiger Schwede. Er könnte in einem Kabarettprogramm auftreten, so gut wie er die Aufschlagbewegung der Tennislegende John McEnroe parodieren kann. Zur Pressekonferenz nach seinem Viertelfinalspiel bei den US Open in New York gegen den Australier Patrick Rafter erschien er mit origineller Schiebermütze und steckte bei einem ziemlich intelligenten Exkurs über die Unterschiede zwischen Amerikanern und Schweden der US-Journaille seine Meinung zur Baseball-Euphorie in Mark-McGwire-Land: „Ich verstehe nicht, wie ihr da so einsteigen könnt.“

Nur zum Spiel gegen Rafter fiel ihm nichts Witziges ein; das hatte er nämlich 2:6, 4:6, 5:7 verloren. „Ich glaube, der spielt auf seinem höchsten Niveau“, sagte Björkman über Rafter, „ich konnte nichts machen.“

Rafter (25) ist derzeit in bemerkenswerter Form. 1997 hat er die US Open gewonnen, weshalb seine Landsleute jede Menge Wirbel um ihn entfachten. Rafter hat sich davon nicht den Kopf verdrehen lassen. Auch wenn es in der ersten Jahreshälfte ein bißchen danach aussah, als er bei vier von fünf Turnieren in der ersten Runde ausschied. Doch dann gaben ihm Australiens Daviscup-Kapitän John Newcombe und Trainer Tony Roche den klugen Rat: „Setz dich selbst nicht so unter Druck.“ Seither hat er auf Hardcourt kaum mehr verloren. Bei den US Open hat Rafter sich nur beim Fünfsatz- Sieg im ersten Spiel gegen den Marokkaner Hicham Arazi schwer getan. Ansonsten ist er mit cleverem Serve-and-Volley-Spiel leichtfü- ßig von Runde zu Runde gehüpft.

Nicht einmal der Wind, der seit Tagen den Profis die Frisur durcheinanderwuschelt, stört ihn. Im Gegenteil: „Der ist ein Vorteil für mich; ich bin aufgewachsen mit dem Spiel im Wind.“ Das ist alles sehr schön für Rafter. Auch daß ihn das Magazin People im November unter die zehn Männer mit dem meisten Sex-Appeal wählte, ist zumindest kein schwerer Nachteil. Aber ins Endspiel kommt er wohl trotzdem nicht. Am Samstag im Halbfinale trifft er nämlich auf US-Rausschmeißer Pete Sampras. Und der ist bisher noch unangestrengter als Rafter durch die US Open spaziert. In fünf Spielen hat Sampras erst einen Satz abgegeben. Sein jüngstes Opfer: Karol Kucera, Slowake und Spielverderber, weil er Amerikas Liebling Andre Agassi ausschaltete. Kucera sah den Ball teilweise gar nicht, so schnell schoß Sampras beim 6:3, 7:5, 6:4.

Wenn man Rafters und Sampras' Fortkommen mit dem der anderen vergleicht, ist schnell klar, daß die beiden die besten Spieler des Turniers sind. Um so trauriger, daß sie sich nicht zu einem würdigen Finale treffen dürfen. Aber so ist eben der Modus: Das Feld der 128 Teilnehmer wird vor dem Turnier in zwei Hälften geteilt, die gesetzten Spieler auf den ungeraden Rängen in die eine, die auf den geraden in die andere eingetragen.

Weil von Sampras schwer zu verlangen ist, daß er seinen ersten Weltranglisten-Platz aufgibt, hätte der Dritte Rafter also bloß gut genug für Platz zwei sein müssen. Weil die Gesetzten in der zweiten Hälfte ziemlich geschwächelt haben, sind jetzt lauter Außenseiter ihre möglichen Finalgegner.

Rafter trägt die ungünstige Situation mit Fassung. Sein Finalsieg über Sampras neulich in Cincinnati hat den US-Amerikaner für ihn ein wenig menschlicher erscheinen lassen: „Ich fühle mich nicht mehr so bange, wenn ich gegen ihn spiele.“ Angeschaut hat er sich Sampras' Auftritt gegen Kucera auch nicht. Er hatte Besseres zu tun: „Ich gehe essen. Und dann auf ein Bier.“ Patrick Rafter ist ein lustiger Australier. Thomas Hahn